Buch als Anklage Buch als Anklage: Der Alptraum setzt sich in der Heimat fort

Eisleben/MZ. - Die Alpträume verfolgen ihn bis heute. Dann schreckt Michael T. mitten in der Nacht schweißnass hoch, er tastet verzweifelt nach dem Lichtschalter und bis die Lampe aufleuchtet, fühlt der Mansfelder sich, als stecke er wieder im Lager, jenem Wüstengefängnis, das ihm vor zwei Jahren für Monate zu Hause war.
Damals hatte der erfahrene Weltreisende, der als Dokumentarfilmer schon zahllose Länder besuchte, gerade ein Filmprojekt in den Vereinigten Arabischen Emiraten beendet. "Da las ich, dass ein Spross der Königsfamilie einen deutschen Manager sucht", erzählt der gebürtige Bad Frankenhausener. T., der sein nächstes Projekt erst einige Monate später in Angriff nehmen will, bewirbt sich beim "Private Department of Sheikh Abdul Al Maktoum". Und er bekommt den Job im paradiesischen Abu Dhabi, der Hauptstadt der sieben Emirate.
Doch was sich anhört wie der Anfang eines Märchens aus tausendundeiner Nacht, gerät schnell zu einem Martyrium, von dem sich der Filmemacher jetzt in einem Buch mit dem Titel "Traumland Alptraum" frei zu schreiben versucht. Ein Buch wie eine Anklageschrift: Detailliert berichtet er über Menschenrechtsverstöße. Hart rechnet er ab mit den deutschen Behörden, die aus Angst vor internationalen Verwicklungen schwiegen. Dabei war der Deutsche nichts ahnend in einen Strudel aus Verdächtigungen geraten. Kaum hatte T.l sein Büro eingeräumt, wurden alle seine Mitarbeiter verhaftet. T. entgeht der Festnahme durch Zufall, stellt sich aber auf Rat eines Mitarbeiters des Bundeskriminalamtes den Behörden.
"Dieser BKA-Mann hatte mir freies Geleit zugesichert", erinnert er sich. Denn alle Ermittlungen richteten sich gegen seinen Chef, den Scheich, der es sich angewöhnt hatte, keine Rechnungen zu bezahlen. "Dem wollten sie an den Kragen." T. aber gerät zwischen die Fronten. Handschellen klicken. Der BKA-Beamte verschwindet eilig. Plötzlich sitzt der Mansfelder in einer Zelle, später fährt man ihn hinaus in eine Haftanstalt mitten in der Wüste. "Ich war die Geisel, mit der der eine Scheich Zahlungen vom anderen erzwingen wollte."
Kein Anwalt hilft, es gibt keine Nachrichten nach Haus ins kleine Hergisdorf, wo Mutter und Freunde auf ein Lebenszeichen warten. Monatelang schläft T. auf dem nackten Boden. "Tagsüber war es glühend heiß in der 11-Mann-Zelle, nachts wurde es eiskalt", erinnert er sich. "Ich war so verzweifelt, ich wäre am liebsten gestorben." Nur die Wut über die Ungerechtigkeit ist es, die ihn aufrecht hält. Die ihn gegen Telefonverbot und falsche Verdächtigungen kämpfen lässt, obwohl weder BKA noch Auswärtiges Amt ihm beispringen. Nach Monaten Haft erst darf Michael T. nach Hause fliegen. Hier aber setzt sich der Alptraum fort. "In Dubai wurde mir zugesichert, dass man sich für eine Aufklärung der Umstände einsetzen werde", erzählt er, "aber nichts ist geschehen." Deshalb streitet T. nun auf eigene Faust. Er stellte Strafanzeige gegen den BKA-Beamten wegen Freiheitsberaubung, den Scheich zeigte er wegen Freiheitsberaubung an, auch gegen das Auswärtige Amt stellte er Strafantrag. Inzwischen beschäftigt sich der Petitionsausschuss des Bundestages genau so mit dem Fall wie der Bundesbeauftragen für Datenschutz.
Die Ermittlungen laufen. Der BKA-Mann wurde inzwischen von der Staatsanwaltschaft in Halle angehört. Gegen den Scheich ermittelt der Generalstaatsanwalt in Naumburg. "Da es klare Beweise gibt, glaube ich fest, dass am Ende ein Gericht Recht sprechen wird."
Eine letzte Hoffnung, denn seit seiner Rückkehr geht es dem Hergisdorfer gesundheitlich sehr schlecht. "Ich kann weder Treppen steigen noch längere Sätze sprechen." T. führt das auf die unmenschliche Unterbringung in der Haft zurück. Eine Rückkehr ins Berufsleben, sagt er, sei ihm dadurch unmöglich. Der kräftige Mann mit dem prägnanten Kinnbart hofft auf eine Operation im nächsten Monat, auch wenn die all seine inneren Wunden nicht heilen könne, ahnt Michael Tupel: "Mein Alptraum ist noch lange nicht vorbei."
Traumland Alptraum, Bod Norderstedt, 12,90 Euro