Beschäftigung in Sachsen-Anhalt Beschäftigung in Sachsen-Anhalt: Bürgerarbeit fast am Ende

Magdeburg/MZ - Voller Hoffnung war Reiner Haseloff vor vier Wochen zum Treffen der Ost-Ministerpräsidenten mit Kanzlerin Angela Merkel (beide CDU) gefahren - im Gepäck die Forderung nach einer Fortsetzung des zum Jahresende auslaufenden Bürgerarbeit-Programms für Langzeitarbeitslose. Voller Optimismus war Sachsen-Anhalt Regierungschef zurückgekehrt - gegen Langzeitarbeitslosigkeit im Osten könne man jetzt erfolgreich vorgehen, hatte er gesagt.
Nachfolgeprogramm für Langzeitarbeitslose
Doch daraus wird nichts - jedenfalls nicht so, wie Haseloff sich das vorgestellt hat: Eine Fortsetzung der Bürgerarbeit in bisheriger Form, bei der ältere Langzeitarbeitslose einen befristeten, öffentlich geförderten, gemeinnützigen Job außerhalb des regulären Arbeitsmarktes erhielten, wird es nicht geben - entgegen der Forderung der ostdeutschen Ministerpräsidenten.
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat im Juli 2010 das Projekt Bürgerarbeit gestartet. Ziel war und ist es, Hartz-IV-Empfänger über gemeinnützige Jobs mit einer Wochenarbeitszeit von 30 Stunden wieder in ein Beschäftigungsverhältnis zu überführen. Es befreit die Arbeiter, die vor dem Start ihrer Maßnahme extra geschult werden, nicht davon, sich weiter regelmäßig um Stellen auf dem ersten Arbeitsmarkt zu bewerben. Die Bürgerarbeit löste vielfach die so genannten Ein-Euro-Jobs ab und wird über die Jobcenter gesteuert.
Die Bürgerarbeit setzt sich aus zwei Phasen zusammen, der Aktivierungsphase und der sich anschließenden Beschäftigungsphase. Die Aktivierungsphase wird von Bildungsträgern durchgeführt, die vom Jobcenter beauftragt wurden. In diesen sechs Monaten werden die Bewerber, die über 45 Jahre alt sein müssen, beraten, ihre Fähigkeiten ermittelt, ggf. qualifiziert und verstärkt Angebote auf dem ersten Arbeitsmarkt unterbreitet. Erst wenn dies erfolglos bleibt, treten die Bewerber in die dreijährige Beschäftigungsphase ein. Auch in dieser Zeit gibt es ein begleitendes Coaching und wenn möglich immer wieder Vermittlungsversuche in einen regulären Job.
Die Tätigkeiten der Bürgerarbeiter müssen dabei im öffentlichen Interesse liegen. Das heißt, sie sollen der Allgemeinheit zu Gute kommen. Das ist beispielsweise der Fall, wenn ein Bürgerarbeiter als Begleiter für Senioren unterwegs ist, sich bei Sportvereinen oder bei der Essensausgabe an Bedürftige engagiert. Die Bürgerarbeit ist dabei eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung mit Ausnahme der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung.
Zwar strickt das Bundesarbeitsministerium gerade an einem Nachfolgeprogramm für Langzeitarbeitslose, wie eine Sprecherin bestätigte. Doch das hat zum Ziel, Betreffende mit Hilfe einer speziellen Förderung in feste Stellen zu vermitteln. Vorgesehen sind unter anderem Lohnkostenzuschüsse für Arbeitgeber und eine Betreuung der Arbeitnehmer auch nach der Job-Aufnahme. Wie Langzeitarbeitslosen, die als nicht mehr vermittelbar gelten, geholfen werden kann, werde derzeit „geprüft“, so die Sprecherin.
Berücksichtigung der Besonderheiten Ostdeutschlands
Letzteres Problem betrifft vor allem die ostdeutschen Bundesländer, wo viele Beschäftigte Anfang der 1990er Jahre ihre Jobs verloren und sich seitdem mehr oder weniger erfolgreich von ABM zu Qualifizierung zu Beschäftigungsprogramm hangeln - ohne Aussicht auf einen feste Stelle. Sachsen-Anhalt pocht denn auch auf die Vereinbarung der Ost-Regierungschefs mit Merkel: „Das Nachfolgeprogramm wird die Besonderheiten Ostdeutschlands berücksichtigen“, versicherte Regierungssprecher Matthias Schuppe. Über Einzelheiten werde noch zu reden sein.
Die Arbeitsagentur warnte davor, das neue Bundesprogramm auf die Vermittlung in reguläre Stellen zu beschränken: „Langzeitarbeitslose haben, gerade wenn sie älter und schon mehr als zwei Jahre ohne Job sind, nur sehr geringe Chancen, auf dem ersten Arbeitsmarkt einen Job zu finden“, sagte der Chef der Regionaldirektion Sachsen-Anhalt/Thüringen, Kay Senius.
Arbeit im gemeinnützigen Bereich
Zwar arbeiteten die Jobcenter eng mit den Kommunen zusammen, um dieser Gruppe zu helfen, zum Beispiel mit Qualifizierungsmaßnahmen. Wo das nicht erfolgreich sei, spricht sich Senius allerdings dafür aus, den Betroffenen Arbeit im gemeinnützigen Bereich zu geben „anstatt nur Arbeitslosigkeit zu finanzieren“.
Auch der SPD im Land ist die Vermittlung in feste Jobs zu wenig. „Im Osten reicht das nicht aus“, sagte der Arbeitsmarkt-Experte der SPD-Landtagsfraktion, Andreas Steppuhn. „Dazu haben wir zu viele Langzeitarbeitslose, die wir nur schwer vermitteln können, und zu wenige freie Stellen.“ Notwendig sei deshalb „auf Dauer ein sozialer Arbeitsmarkt“.
Wie er seine Parteifreundin, Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles, davon überzeugen will, ließ Steppuhn offen. „Wir werden mit ihr darüber noch einmal reden müssen.“ Eine Lösung, so Steppuhn, könne darin bestehen, Geld aus dem Europäischen Sozialfonds für eine Neuauflage der Bürgerarbeit zu verwenden. Aus diesem Topf soll auch das neue Bundesprogramm finanziert werden.