«Berghotel» in Ilsenburg «Berghotel» in Ilsenburg: Wo Fisch mit Fleisch tanzt
Halle (Saale)/MZ. - Manchmal kommen Gäste, ältere Herren, die sich an früher erinnern, an die Zeit, die sie damals verbringen mussten hier oben am Hang über Ilsenburg. Rechts war die Waffenkammer, links saß der Spieß - so erzählen sie dann über ihren Dienst in der 1959 erbauten Kaserne der DDR-Grenztruppen.
Wo die Waffen gelagert wurden und der Spieß sein Dienstzimmer hatte, trifft der Gast heute auf freundliche Empfangsdamen an der Rezeption des Berghotels Ilsenburg. Er betritt eine Lounge mit bequemen Ledersesseln und gut bestückten Bücherregalen, von der aus es in ein großzügiges Restaurant geht. Von der großen Terrasse fällt der Blick auf das 9 000-Einwohner-Städtchen im Ostharz an der Grenze zu Niedersachsen, bei gutem Wetter grüßen die Kirchtürme von Halberstadt. Nur den Brocken, den sieht man von hier oben nicht, dazu müsste man hinab in den Ort. Später.
13 Punkte im Gault Millau
Jetzt wartet die von Hoteldirektor Matthias Meyer als "mediterran mit regionalen und saisonalen Einflüssen" angekündigte Küche. Im vorigen Jahr brachte sie dem Haus erstmals einen Eintrag im Gault Millau - 13 Punkte. Demnach verfügt das hoteleigene Restaurant "Rudolfo" über eine "sehr gute Küche, die mehr als das Alltägliche bietet". Das Team um Küchenchef Christian Meierding-Schmidt geht mit Kreativität ans Werk. Das zeigt sich schon am Gruß aus der Küche: frisches knuspriges Weißbrot nicht nur mit Butter und Schinkencreme, sondern auch mit grünem Pesto, das eine deutliche Anis-Note aufweist. Das kitzelt den Gaumen fein, aber, mit Verlaub, es erinnert doch allzu sehr an den Ouzu beim Griechen. "08 / 15 wollen wir nicht", sagt der freundliche und aufmerksame Kellner zur Erklärung, "jeder Koch kann seinen persönlichen Akzent setzen." Dann also Anis.
Frische Kräuter vom Biohof
Auf hohem Niveau geht es weiter: Die Nudeln mit Tomatensoße für das Kind sind selbstgemacht, wie sich das gehört für ein gehobenes Haus. Die Kaninchenessenz mit grünem und weißen Spargel, Ravioli und frischen Kräutern entpuppt sich als überraschend erfrischendes aromatisches Süppchen. Und der Ziegenfrischkäse auf mediterran mariniertem knackigem Frühlingssalat, nun ja, er kann selbst Ziegen-Skeptiker überzeugen, so mild kommt er daher. Es mag ja geschmäcklerisch klingen: Aber das hätte man dann doch ganz gerne etwas kräftiger gehabt.
Beim Hauptgang tanzt Fisch mit Fleisch: Gebratenes Zanderfilet trifft auf Rinderbackenragout, dazu werden Kräuterseitlinge und Kerbelgnocci gereicht. Leider erweist der Zander sich als etwas trocken, dennoch: Die Kombination funktioniert. Die hausgemachten Tagliatelle mit Käsesoße und gebratenen Riesengarnelen, die auf der anderen Seite des Tisches serviert werden, stellen eine solide Leistung des Küchenteams dar, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Angenehm: Die Pasta ertrinkt nicht in der leichten Soße.
Ganz im Trend der Zeit, setzt das Berghotel auf regionale Produkte. Zu den Lieferanten zählen unter anderem ein Biohof - von dort kommen frische Kräuter im Topf - und ein Ziegenhof aus der Region. Auch das bekannte Harzer Höhenvieh wird immer wieder verarbeitet. "Wir legen Wert auf eine frische Küche. Bei uns wird fast nichts tiefgekühlt angeliefert", versichert Hotelchef Meyer. Um dem Bedürfnis vieler Gäste nach saisonaler Ware Rechnung zu tragen und der Abwechslung halber wird die Speisekarte mindestens einmal im Monat gewechselt. Auf Regionalität und Frische zu setzen, hat freilich eins zur Folge: Manches Essen ist eher aus als geplant. Für Meyer kein Problem: Der 34-Jährige sieht begrenzte Angebote eher als Ausdruck von Qualität. Die meisten Gäste, sagt er, würden das auch verstehen, wenn man es ihnen so erkläre.
Beschränkungen unterliegt im übrigen mitunter auch das Wein-Angebot - das gilt vor allem für die raren Tropfen vom Harzer Weingut Kirmann. Der Ein-Winzer-Familienbetrieb zählt zum Anbaugebiet Saale-Unstrut, liegt aber weit weg davon in Westerhausen im nördlichen Harzvorland. Sollten Kirmanns Weine ausgetrunken sein, hält die Karte zum Glück noch mehr bereit - zu vernünftigen Preise: Flaschen gibt es ab 15 Euro, offene Weine ab 4,60 Euro. Damit schlägt der 2011er Weißburgunder vom Weingut Klaus Böhme aus Kirchscheidungen im Burgenlandkreis zu Buche, der zum Zander einen exzellenten leichten Begleiter abgibt.
Restaurant großzügig erweitert
Den Eintrag im Gault Millau empfindet Meyer als Auszeichnung. Dennoch will er mit dem Haus auf dem Boden bleiben. "Wir freuen uns, wenn Gourmets zu uns kommen", sagt er, "aber wir wollen uns nicht nur an Gourmets ausrichten." Vielmehr will das Berghotel offen bleiben für ein breites Publikum: "Uns ist wichtig, dass die Ilsenburger und Gäste aus der Region den Weg zu uns finden." Viele tun das schon. Manche kommen regelmäßig wieder.
Möglich ist das seit 2007. Damals wurde das Hotel nach umfangreichen Umbauten neu eröffnet. Das Restaurant wurde großzügig erweitert, 80 Plätze bietet es jetzt. Ein Schwimmbad, ein Wellness-Bereich und ein Nebengebäude mit 120 Plätzen gehören dazu. Wer mag, kann oberhalb von Ilsenburg also auch groß feiern. Oder gutes Essen mit einem langen Wochenende im Harz verbinden.
Wechselhafte Vergangenheit
Vor dem Umbau war das Haus im Ort unter einem anderen Eigentümer als Panoramahotel bekannt - bis es in die Insolvenz ging. Nicht die erste Pleite an dem Standort: In den 90er Jahren hieß der ehemalige Grenztruppen-Stützpunkt schon einmal Berghotel. Eine Geschäftsfrau aus der Region hatte das Gebäude umgebaut, nachdem es kurz nach der Wende einige Jahre als Schule genutzt worden war. Auch die Betreiberin des ersten Berghotels musste irgendwann Insolvenz anmelden.
Nachlesen lässt sich diese wechselvolle Geschichte auch in der Karte. Eine gute Möglichkeit, die Wartezeit auf das Dessert zu verkürzen. Da beginnt sie wieder, die Qual der Wahl. Die Entscheidung fällt schließlich auf zarte Erdbeertartelettes und auf Mousse von Valrhona-Schokolade mit frischen Himbeeren und Sauerampfer-Eiscreme. Köstlich! Dunkle herbe Schokolade und säuerlich-frisches, cremiges Eis - ein Kontrast, der nach mehr schmeckt. Und damit einen krönenden Abschluss markiert, der die leichten Unzulänglichkeiten bei Vorspeise und Hauptgang locker wieder wettmacht.