1. MZ.de
  2. >
  3. Mitteldeutschland
  4. >
  5. Bergbau: Bergbau: Dörfer in Sachsen-Anhalt kämpfen mit Altlasten

Bergbau Bergbau: Dörfer in Sachsen-Anhalt kämpfen mit Altlasten

Von Hendrik Kranert-Rydzy 09.05.2016, 10:14
Experten einer Sanierungsfirma versuchen in Schraplau (Saalekreis), den Einsturz eines Hauses zu verhindern, das sich gesenkt hat.
Experten einer Sanierungsfirma versuchen in Schraplau (Saalekreis), den Einsturz eines Hauses zu verhindern, das sich gesenkt hat. Peter Wölk

Magdeburg - Kirchberg klingt nach einem soliden Fundament für einen Sakralbau. Nach gewachsenem Fels und Ewigkeit. Der Kirchberg in Schraplau war das ganze Gegenteil davon: Löchrig wie ein Schweizer Käse, brüchig - und extrem gefährlich. Anfang 2007 sackte erst eine Straße in der Gemeinde im Saalekreis ab, später drohte ein Haus einzustürzen. Der Grund: Der Schraplauer Kirchberg war im 19. Jahrhundert zur Gips- und Branntkalk-Herstellung quasi in Gänze ausgehöhlt worden.

Der Fall Schraplau ist - mit gut sechs Millionen Euro Sanierungssumme - sicherlich einer der finanziell herausragenden bei der Beseitigung von Altbergbauschäden in Sachsen-Anhalt, beileibe aber kein Einzelfall. „Sachsen-Anhalt ist das Land mit der wohl größten Altbergbau-Last in Deutschland“, hatte der dafür zuständige Dezernatsleiter im Bergamt, Gerhard Jost, kurz vor Ende der Sanierungsarbeiten in Schraplau gesagt.

Das Problem: Zwar kümmert sich das Bergamt um die Gefahrenabwehr - doch dauerhafte Sicherungsarbeiten bleiben an den Gemeinden hängen. Die sind in der Regel für den „Bergbau ohne Rechtsnachfolge“ in ihrer Gemarkung zuständig. Und mit der Beseitigung oder Sicherung des löchrigen Erbes in der Regel genauso überfordert. Das änderte sich erst 2008, als das Land ein Programm auflegte, mit dem solche Arbeiten zu 100 Prozent gefördert werden können. „Wir haben damals dafür gekämpft, dass das Land endlich ein Förderprogramm für solche Fälle auflegt“, erinnert sich Verbandsgemeinde-Bürgermeisterin Roswitha Meyer, die für Schraplau zuständig ist. Ohne das Geld, sagt sie, „hätte ich nur Flatterband um den Kirchberg spannen und die Bewohner umsiedeln können“.

Bergbau-Sanierungsprojekte mit 18 Millionen Euro gefördert

18 Millionen Euro flossen so nach Auskunft des Wirtschaftsministeriums in den vergangenen Jahren in insgesamt 15 verschiedene Bergbau-Sanierungsprojekte in Sachsen-Anhalt. Darunter befindet sich auch der Heinitzstollen unter Strenznaundorf bei Könnern (Salzlandkreis). Der Stollen entwässert seit Mitte des 18. Jahrhunderts Kupferschiefer-Gruben. Das tat er bis 2010 - da stürzte er teilweise ein, das Wasser aus den historischen Grubenbauen suchte sich neue Wege.

In Strenznaundorf tat sich die Erde auf, Keller wurden nass - Gefahr war im Verzug. Doch statt wie geplant den Stollen unter dem Dorf zu sanieren, musste erst einmal dessen Durchgängigkeit Richtung Saale wieder hergestellt werden. Das verschlang 3,6 Millionen Euro - ohne dass das eigentliche Problem eines desolaten Stollens unter Strenznaundorf nur ansatzweise gelöst wurde.

Bergbausanierungsprogramm wird wohl fortgeführt

Die gute Nachricht: Das Land will das Bergbausanierungsprogramm weiter fortführen. Die schlechte: „Keine Gemeinde wird mehr einen Antrag stellen, wenn sie sich dem Risiko ausgesetzt sieht, am Ende Fördermittel zurückzahlen zu müssen“, glaubt der Bauamtsleiter der Einheitsgemeinde Arnstein, Marco Juhnke. Im zur Einheitsgemeinde Arnstein gehörenden Dörfchen Wiederstedt war seit 2011 der gleichnamige Stollen, der Teil des historischen Kupferschieferbergbaus zwischen Hettstedt und Sandersleben gewesen ist, eingebrochen. 2014 war das Gros auf Vordermann gebracht worden, statt 1,4 Millionen Euro hatte die Sanierung nur 1,2 Millionen Euro gekostet. Allerdings fehlte noch ein Stück Stollen in Richtung Westen - nach Quenstedt.

Die Verwaltungsbehörde entschied, einen Teil des eingesparten Geldes für die Erkundung dieses Stück Stollens zu verwenden. Zumal die Fachfirma vor Ort und noch Untertage tätig war. Juhnke nennt das eine Entscheidung aus „gesundem Menschenverstand“ heraus - doch er hatte die Rechnung ohne die Investitionsbank gemacht. Die sah in der Entscheidung eine regelwidrige Auftragsvergabe und somit einen schweren Verstoß gegen die Förderrichtlinie. Eine Einschätzung, die sich auch das zuständige Wirtschaftsministerium zu eigen gemacht hat. Daher soll die Einheitsgemeinde nicht nur die 200 000 Euro eingesparte Fördermittel zurückzahlen, sondern weitere 260 000 Euro oben drauf.

Könnerns Bürgermeister Mario Braumann schüttelt darüber den Kopf und fragt, warum das Land eigentlich den Kommunen so eine diffizile Aufgabe wie die Bergbausanierung aufs Auge drückt und nicht vom landeseigenen Bergamt erledigen lässt. Die Frage hat sich das Wirtschaftsministerium 2008 auch gestellt, war aber zu der Erkenntnis gelangt, dass man eine unterstellte Behörde nicht fördern könne. Braumann wundert das: „Die Sachsen waren wieder schlauer - da kümmert sich das Bergamt um Anträge und Auftragsvergabe.“ (mz)

Der baufällige Stollen in Wiederstedt vor der Sanierung.
Der baufällige Stollen in Wiederstedt vor der Sanierung.
privat