Auf den Milchzahn gefühlt Auf den Milchzahn gefühlt: Warum das Gebiss bei Kleinkindern so wichtig ist

Halle (Saale) - Wer hat schon gerne Zahnschmerzen? Niemand. Warum aber wird dann jedes Jahr am 9. Februar der Tag des Zahnschmerzes gefeiert? Carsten Hünecke, Präsident der Zahnärztekammer, kann diese Frage beantworten: „Der Tag erinnert an die heilige Apollonia, die Schutzheilige der Zahnärzte und zahnmedizinischen Berufe“, sagt er.
„Am 9. Februar 249 wurde Apollonia von Alexandria auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Der Überlieferung nach wurden ihr dabei auch die Zähne ausgeschlagen. Weil sie trotz dieser Brutalität und angesichts der Schmerzen nicht von ihrem Glauben abwich, soll Papst Johannes XXI. den Gläubigen geraten haben, bei Zahnschmerzen zur Apollonia zu beten.“
Somit sei der 9. Februar als Tag gegen Zahnschmerzen zu sehen. Und insofern biete er sich hervorragend dafür an, über die Möglichkeiten zu berichten, Zahnschmerzen zu vermeiden.
Noch Luft nach oben bei Mundgesundheit von Kleinkindern
„Zur Frage, ob Zahnschmerzen vermeidbar sind“, fährt Hünecke fort, „kann ich sagen, dass eine gute Zahn- und Mundpflege einen großen Teil dazu beitragen kann.“ Und damit kann nicht früh genug begonnen werden. Doch vor allem bei Kleinkindern zwischen dem 30. und 72. Lebensmonat ist da noch Luft nach oben.
Die strengen Regeln beim Bonusheft für den Zahnersatz sollen gelockert werden. Künftig können gesetzlich Versicherte einen Bonus auch dann erhalten, wenn der jährlich vorgeschriebene Zahnarztbesuch einmalig versäumt wurde. Das gelte aber nur in „begründeten Ausnahmefällen“, heißt es in einem Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen zum Termingesetz. Die Ausnahmeregelung soll zum Beispiel dann greifen, wenn Versicherte schwer erkrankt sind und daher nicht zum Zahnarzt gehen können.
Wer durch das Bonusheft nachweisen kann, dass er in den letzten fünf Jahren vor einer Behandlung jedes Jahr zur Kontrolle beim Zahnarzt war, bei dem erhöht sich der Festzuschuss seiner Krankenkasse für Kronen, Brücken oder Prothesen um 20 Prozent. Bei mindestens zehn Jahren erhöht er sich um 30 Prozent. Das kann mehrere hundert Euro ausmachen. Wird der Zahnarztbesuch etwa im zehnten Jahr versäumt, muss bisheriger Regelung jedoch wieder ganz von vorn begonnen werden. (tms)
Die in diesem Alter vorgesehenen zahnärztliche Früherkennungsuntersuchungen nehmen in Sachsen-Anhalt laut Barmer-Zahnreport nur 36,2 Prozent der Versicherten in Anspruch. „Das ist ausbaufähig“, sagt Axel Wiedemann, Landesgeschäftsführer der Barmer. „Eltern warten oft zu lange, bevor sie mit ihrem Kind das erste Mal zum Zahnarzt gehen“, fügt er hinzu.
Erst im schulpflichtigen Alter gehe die Mehrheit der Kinder zur zahnärztlichen Vorsorge. Karies entstehe aber schon bei kleinen Kindern, in der Regel wegen schlechter Zahnpflege und dem Verzehr von zu viel Süßigkeiten und zuckerhaltigen Getränken. Er höre immer wieder von Eltern, dass die Milchzähne ohnehin ausfallen würden und daher Karies im Kindesalter nicht dramatisch sein könne.
Zahnärzte: Karies bei Milchzähnen kann lebenslange Folgen haben
Aber das sei ein Irrtum. „Milchzahnkaries kann lebenslange Folgen haben, denn Karies im Kindesalter wirkt sich auch auf die nachwachsenden Zähne aus“, betont Wiedemann. Zudem könnten die Zahnlücken Sprachfehler verursachen.
Jochen Schmidt, Vorsitzender der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Sachsen-Anhalts (KZV) konstatiert, dass frühkindliche Karies durchaus ein Problem sei. Bei den unter Dreijährigen sei bundesweit etwa jedes zehnte Kind davon betroffen. „Besonders schlimm ist dabei die Polarisierung. Etwa 20 Prozent der betroffenen Kinder tragen 80 Prozent der Zahnschäden“, sagt der KZV-Chef.
Sie gehörten zu einer besonderen, nur schwer erreichbaren Risikogruppe. „Der Großteil aller Kinder weist jedoch durch Maßnahmen der Gruppenprophylaxe, regelmäßige Zahnarztbesuche und eine gute Mundhygiene zu Hause kaum Karies auf“, resümiert er. Alles hänge davon ab, ob die Eltern die vorhandenen Angebote nutzten.
Immer mehr Kassen bieten Vorsorge für Kleinkinder
Die Barmer hatte 2014 als erste Kasse Früherkennungsuntersuchungen vom 30. bis zum 72. Lebensmonat eingeführt. Der Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen sah diese Untersuchungen erst bei Kindern ab zweieinhalb Jahren vor. Das Abkommen zwischen Barmer und Zahnärzten „war ein erster wichtiger Meilenstein, um unsere kleinsten Patienten noch besser zu schützen und für sie optimale Voraussetzungen für eine lebenslange Zahn- und Mundgesundheit zu schaffen“, sagt Schmidt.
Später seien weitere Kassen dem Beispiel gefolgt. Was es den Ärzten möglich gemacht habe, zusätzliche Prophylaxeleistungen anzubieten - aber eben nur Versicherten bestimmter Kassen. Darüber hinaus sei es mit viel Bürokratie verbunden gewesen. „Wir haben gegenüber der Politik daher immer darauf gedrängt, eine flächendeckende Lösung herbeizuführen“, sagt der KZV-Chef.
Zahngesundheit für Kleinkinder - Neue Regeln ab Juli
Was von Erfolg gekrönt war. Ab Juli dieses Jahres gibt es für gesetzlich krankenversicherte Kleinkinder bis zum vollendeten 33. Lebensmonat drei zusätzliche zahnärztliche Früherkennungsuntersuchungen.
„Die Leistungen können nun unabhängig von der Krankenkasse in gleichem Umfang erbracht werden und wir können generell alle Eltern über diese Möglichkeit informieren“, unterstreicht Jochen Schmidt. Das sei ein großer und wichtiger Schritt im Kampf gegen frühkindliche Karies. Ganz im Sinne der heiligen Apollonia. (mz)