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Architektur Architektur: Schlagabtausch über Fliesen auf dem Damenklo

Von Hendrik Kranert 27.09.2005, 18:41

Magdeburg/MZ. - "Die grüne Zitadelle von Magdeburg wird wachsen wie ein Organismus", sagte Friedensreich Hundertwasser 1999 knapp ein Jahr vor seinem Tod über sein letztes Projekt. Doch auf der Baustelle zwischen Domplatz und Breitem Weg stehen die Zeichen derzeit nicht auf Wachstum, sondern auf Abriss. Zumindest teilweise. Ausgerechnet der Nachlassverwalter des Wiener Künstlers, Joram Harel, attackierte die frisch verfugten Fliesen auf der öffentlichen Damentoilette. Nicht nur verbal, sondern mit dem Regenschirm.

Der 68-jährige Harel ist zwar für seine exzentrischen Auftritte auf der Baustelle bekannt, doch im Klo verlor er vollends die Contenance. "Kitsch", soll er gebrüllt haben. Und das alles wieder ab müsse. Dann ließ der einstige Hundertwasser-Manager das malträtierte Klo verhängen und gegen unbefugtes Betreten sichern: Eine Woche, bevor Oberbürgermeister Lutz Trümper (SPD) die Grüne Zitadelle am 3. Oktober samt WC eröffnen soll.

An Harel hängt letztlich der 27 Millionen Euro teure Neubau - er entscheidet, wie Hundertwassers Kunst nach dessen Tod auszusehen hat. Harel bestimmt Pfeilerformen, Fassadenfarben, Dachbegrünung. Ob auch über die Gestaltung einer Toilette - darüber gehen die Meinungen auseinander. "Ich bin stinksauer", schimpfte am Dienstagnachmittag Frank Hengstmann vor laufender Kamera. Hengstmann ist Kabarettist und - kein Witz - Pächter der umstrittenen öffentlichen Toilette. Er werde um die Gestaltung "seines Klos" kämpfen, kündigte Hengstmann an und erhielt Unterstützung von Verwalter Peter Benkewitz: "Das ist kein Hundertwasser-Klo. Das ist nur ein Klo im Hundertwasserhaus." Die Notwendigkeit einer solchen Einrichtung sei unbestritten, "denn in einem Hundertwasserhaus gibt es keine Ecken, in die man pinkeln kann", meinte Benkewitz trocken.

Auch wenn man bei der Centum Aqua GmbH, der für die Vermarktung des Kunstwerkes zuständigen Gesellschaft, mit Benkewitz im Prinzip einer Meinung ist, stoßen dort solche Kalauer auf wenig Gegenliebe. Die Lage ist ernst. "Auch wenn es ein öffentliches Klo ist, ist es eine private Einrichtung, genau wie ein Café", erläutert Kunsthistorikerin Uta Siebrecht. Daher habe Harel auf dem WC nichts zu bestimmen. Denn dieses sei genau so ein privates Mietobjekt, wie eine der 55 Wohnungen, von denen derzeit noch 39 keinen Mieter haben. Und in Privaträumen habe Hundertwasser nur Richtlinien für die Gestaltung vorgegeben. Nun sollen Anwälte die Klo-Frage klären.

Doch nicht nur die Fliesen erregten Harels Zorn, sondern auch die Farbgestaltung in den Treppenhäusern. Während sich die Maler darüber nicht mehr wundern - wochenlang tüftelten sie an der richtigen Nuance Altrosa für die Fassade - traf Olaf Sirel fast der Schlag. Denn der Projektleiter Dachbegrünung soll über 9 000 "unnatürliche" Stauden wieder herausreißen - jede kostet etwa vier Euro, Arbeitsleistung noch nicht eingerechnet. "Das kann doch nicht im Sinne des Künstlers sein, wenn hier Natur wieder zerstört wird", sagt Sirel.

Das bestreitet Nachlassverwalter Harel gar nicht, wohl aber, dass nach Hundertwassers Plänen gearbeitet wurde - weder im Klo noch auf dem Dach. Von wegen privater Bereich: Weder die Pachttoilette noch die Bäder in den Wohnungen dürften von den Mietern verändert werden. "Das wäre eine Verletzung des Urheberrechts", so Harel. "Wer selber fliesen will, braucht kein Hundertwasserhaus." Die Veränderungen, die vorgenommen wurden, bezeichnete Harel als "das Werk von Sekretärinnen, die Hundertwasser verkitschen".

Nach Versöhnung und Einigung, wie sie Verwalter Berkewitz am Dienstag in Aussicht gestellt hatte, klingt das nicht.