Angriff auf Inder in Mügeln Angriff auf Inder in Mügeln: Todesangst nach dem Stadtfest
Mügeln/MZ. - Bürgermeister Gotthard Deuse (FDP) ist ein gefragter Mann. Stundenlang steht er vor dem Rathaus im beschaulichen Mügeln (Landkreis Torgau-Oschatz), redet mit Journalisten, sucht Antworten auf bohrende Fragen, die sich nach der Hetzjagd von rund 50 Deutschen auf acht Inder am Rande des Stadtfestes stellen. Unweit von ihm kündet ein 30 mal 30 Zentimeter großer Blutfleck auf dem Markt von Gewalt - 14 Menschen wurden bei der Schlägerei in der Nacht zu Sonntag verletzt.
"Wir haben kein rechtes Problem", sagt Deuse. Von einem rechten Musikversand, der in Mügeln seinen Sitz hat, wisse er nichts. Probleme habe es nie gegeben. Auch Polizei und Verfassungsschutz versichern, von einer organisierten Szene im Ort sei nichts bekannt. Bei rechter Gewalt tauche der Kreis am unteren Ende der Statistik auf. "Größere Auffälligkeiten gab es vielleicht nicht, Sympathisanten und Mitläufer aber schon - wie überall. Um das zu sehen, muss man nur mit offenen Augen durch die Stadt gehen", sagt eine Mügelnerin. Ihren Namen nennt sie aus Angst nicht. Da seien die Jugendlichen, die auf dem Markt Bier trinken. Aus Langeweile, weil "die Jugendklubs hier keinen guten Ruf haben." Da wurde ein farbiger Gastschüler beschimpft, streckte man den zweimal pro Woche kommenden indischen Händlern den Mittelfinger hin, spuckte verächtlich vor ihnen aus.
Latente Ausländerfeindlichkeit, an die sich Männer wie Kulvir Singh gewöhnt haben. "Das waren bisher Kleinigkeiten", sagt der Inder, der sein geschwollenes blaues Auge unter einer Sonnenbrille versteckt. Urplötzlich seien er und seine Landsleute - ebenfalls Händler - am Wochenende beim Tanzen geschubst worden. "Die wollten uns nicht im Zelt haben. Wir sind dann raus, wollten nach Hause. Aber dann ging es los." Singh wurde bewusstlos geschlagen und getreten, konnte sich später aber in die nahe Pizzeria eines seit fünf Jahren in Mügeln lebenden Inders retten. Von Todesangst spricht er bei der Erinnerung an den Moment, als Rechte Nazilieder grölend und mit "Ausländer raus"-Rufen den Laden stürmen wollten. "Gott sei Dank waren zwei Polizisten bei uns. Sonst wäre Schlimmeres passiert", sagt er. Später kam Verstärkung der Bereitschaftspolizei. "Wir hatten eine Hundertschaft in Leisnig", erklärt der amtierende Leiter der Polizeidirektion Westsachsen, Steffen Bergt. In dem nahen Ort gebe es einige Rechte, dort sei ursprünglich Ärger erwartet worden.
Die Polizei dementiert Angaben, nach denen sie auch im Vorfeld des Mügelner Festes über mögliche Ausschreitungen informiert gewesen sein soll. Von einer Drohmail an den Jugendklub habe man erst am Montag erfahren. Vieles von dem, was die Mügelner erzählen, muss noch eingeordnet werden. Dass sich angeblich Rechte aus Riesa angekündigt hatten, Oschatzer Neonazis beteiligt gewesen sein sollen. Dass aber auch Mügelner unter dem Mob waren. Zwei von ihnen, die den Streit im Festzelt angezettelt haben sollen, seien bei ihm Stammkunden, sagt der Pizza-Mann. Keine Rechten. Nie habe es böse Worte oder Gewalt gegeben.
Dennoch hat der Ladenbesitzer nun Angst - ebenso wie seine Angestellte Susan Meyer. "Die haben mich beschimpft, wie ich bei einem Ausländer arbeiten kann", erzählt sie. Und: "Uns kam der Angriff wie geplant vor. Ob das stimmt, weiß ich nicht." Es gebe noch keine Erkenntnisse, dass Rechte die Schlägerei zielgerichtet vorbereitet haben, sagt Polizist Bergt. "Aber wir stehen noch am Anfang der Ermittlungen." Eine Sonderkommission suche nun Zeugen. Bürgermeister Deuse, am Sonntag noch selbst von einem fremdenfeindlichen Motiv überzeugt, hält sich inzwischen ratlos zurück. Auch was Berichte über angeblich untätige oder gar applaudierende Augenzeugen betrifft. "Ich war nicht dabei, muss die Ermittlungen abwarten."
Mügelns Kirchenrat will nun Flagge gegen Rechts zeigen. Er überlegt, ein Fest der Begegnung zu veranstalten. Kommentar Seite 4