Darf man das? Zeitz: Familie führt Waschbären an der Leine

Zeitz - Besucher haben unlängst in einem Dorf bei Zeitz eine Familie beobachtet, die an der Leine einen kleinen Waschbären spazieren führte. Sie hätte den Kleinen ohne Mutter aufgefunden und wollte es nun so lange groß ziehen, bis sie es in einen Waschbärenfamilie abgeben könnten, hieß es. Klaus-Dieter Kunick sprach darüber mit Jürgen Koschel, Sachgebietsleiter der Unteren Jagdbehörde.
Wie bewerten Sie den Vorgang?
Koschel: Die Familie hat grob fährlässig gehandelt, ihr Verhalten erfüllt den Straftatbestand. Es handelt sich um Jagdwilderei, denn die Familie hat unbefugt ein herrenloses Tier dem Naturkreislauf entzogen. Das Muttertier kommt entweder wieder oder das Kleine kämpft sich durch oder es dient anderen Tieren als Nahrung - einem Greifvogel, dem Fuchs oder der Weihe beispielsweise.
Wenn es denn eine Straftat ist, welche Konsequenzen drohen?
Koschel: Empfindliche. Würde es um eine gewerbsmäßige Handlung gehen, drohen Geld- oder Haftstrafen. In dem Fall würde es der Jäger bei einer Verwarnung belassen und von seinem Recht auf Strafverfolgung sicher absehen.
Aber die Familie wollte etwas Gutes tun, dafür kriegt Sie nun Schelte?
Nur verletzte Tiere sollten tatsächlich vom Menschen versorgt werden. Wirken die Tiere dagegen hilflos, sind aber unversehrt, warten Fußgänger besser erst einmal ab. Haben die Tiere kaum Federn, sollten Spaziergänger versuchen, sie zurück ins Netz zu setzen. Ist das nicht möglich oder das Tier ist verletzt, können sie es mitnehmen. Sie sollten es rasch zu einer Wildtierauffangstation bringen, damit es artgerecht versorgt wird.
Koschel: Die Familie hat dem Kleinen leider einen „Bärendienst“ erwiesen. Das Waschbärenjunge kann nie wieder in eine Waschbärenfamilie integriert werden, definitiv. Es hat den Menschen angenommen und wird immer die Nähe von Menschen suchen. Das ist eben so in der Natur. Da reicht mitunter ein Tag, dass sich kleine Tiere an den Menschen gewöhnen.
Und nun?
Koschel: Ein Jäger wird sich nun um das Waschbärenkleine nicht mehr kümmern. Die Familie muss sehen, wie sie damit zurande kommt.
Wie oft kommt es vor, dass Tiere mit nach Hause genommen werden?
Koschel: Im Landkreis jährlich bestimmt 50-mal, wenn nicht noch höher. Da werden Rehkitzen mitgenommen, kleine Marder, Füchse oder eben auch Waschbären sowie Nestlinge von Greifvögeln.
Wie sollen sich denn Menschen verhalten, die in der Natur ein scheinbar hilfloses Tier finden?
Koschel: In Ruhe lassen. Die „Eltern“ lassen ihre Kleinen mitunter zwei Tage allein, da passiert nichts, die fiepsen sich wieder zusammen, das ist in der Natur so. Selbst Rüden kümmern sich mit um den Nachwuchs, so unter anderem der Fuchs. (mz)
