Weberstraße 1c ist Geschichte Weberstraße 1c in Zeitz ist Geschichte: Was einst hinter den Mauern geschah

Zeitz - Als „herrenlos“ galt das Grundstück Weberstraße 1c, ehe die Stadt es vor einigen Jahren erwarb. Nun wird es abgerissen, damit anschließend die Grünfläche am Übergang zum Platz Am Kalktor erweitert werden kann, wie die Stadt Zeitz informierte. Seine Geschichte reicht rund 120 Jahre in die Zeitzer Vergangenheit zurück.
Befallen von Unsicherheit, sah sich das für Zeitz zuständige Polizeipräsidium in Weißenfels am 27. August 1932 veranlasst, den Regierungspräsidenten von Merseburg über eine „eilige Pressesache“ in Kenntnis zu setzen. Begleitet wurde das Schreiben von fünf Exemplaren der am Tag zuvor veröffentlichten Ausgabe des „Zeitzer Trommler“, die als Beweisstücke dienten. Das von den Nationalsozialisten herausgegebene und in der Weberstraße 1c gedruckte „Kampfblatt für den Stadt- und Landkreis Zeitz“ hatte auf der Titelseite mit der Schlagzeile „350 tote Helden mahnen – 14 Millionen Deutsche protestieren erbittert“ wieder einmal mehr die politischen Fronten in Zeitz aufgeheizt.
Verbrechen zur „ohnmächtigen Verzweiflungstat“ verklärt
Was war geschehen? Auf Grundlage einer „Notverordnung“ des Reichspräsidenten Hindenburg vom 9. August 1932, die es zuließ, politische Morde im von bürgerkriegsähnlichen Unruhen schwer erschütterten Deutschen Reich durch Sondergerichte und Todesurteile schneller zu ahnden, waren im oberschlesischen Beuthen fünf SA-Angehörige mit dem Tod bestraft worden, weil sie am 10. August 1932 einen polnischen Kommunisten im Dorf Potempa auf bestialische Weise ermordet hatten.
Erich Schulenburg als Verfasser des demagogischen wie hetzerischen Beitrages und einer der führenden Nazi-Ideologen von Zeitz mischte dabei im „Zeitzer Trommler“ kräftig mit. Er verklärte das Verbrechen zur „ohnmächtigen Verzweiflungstat“ von „deutschen Grenzkämpfern“. Immerhin hatte Hitler den Verurteilten unverzüglich umfassende Solidarität zugesprochen.
Aufruf der Reichsregierung und der Preußischen Staatsregierung zum Beuthener Urteil
Was Schulenburg wissentlich in seinen Ausführungen unberücksichtigt ließ, war der Aufruf der Reichsregierung und der Preußischen Staatsregierung zum Beuthener Urteil, dessen Veröffentlichung aus Gründen der Staatsräson erfolgen sollte. Und genau das, was die Polizei zurecht als bewusste Verzerrung der Wirklichkeit erkannt hatte, wurde vom Regierungspräsidenten und in letzter Instanz auch vom Oberpräsidenten in Magdeburg nicht geahndet.
Hinzu kam, dass sie „die Voraussetzungen für die Übermittlung einer Auflagenachricht zum Abdruck der Erklärung der Reichsregierung“ nicht gegeben sahen, da der „Zeitzer Trommler“, wie aus ihrer Begründung hervorging, nur zweimal wöchentlich erschien und daher nicht dem Charakter einer Tageszeitung entsprach. Weimars Demokratie wankte längst. Und verloren ging kurz darauf auch die staatliche Rechtssicherheit, als die Todesurteile auf massiven öffentlichen Druck der NSDAP hin Anfang September 1932 in lebenslange Zuchthausstrafe umgewandelt worden waren. Im März 1933 gelangten die Täter schließlich auf freien Fuß.
„Zeitzer Trommler“ stellte Ende August 1933 sein Erscheinen ein
Der „Zeitzer Trommler“ stellte Ende August 1933 sein Erscheinen ein. Fortan erschien für Zeitz eine eigene Ausgabe der nationalsozialistischen „Mitteldeutschen National-Zeitung“. Gedruckt wurde sie in den Räumen der Genossenschaftsdruckerei Donaliesstraße 12/13, die bis Februar 1933 das SPD-Blatt „Volksbote“ herausgegeben hatte. Erich Dathes Druckereibetrieb verblieb noch bis ins Jahr 1937 im Haus Weberstraße 1c. Die für die Druckerei zu klein gewordenen Räumlichkeiten übernahm der Polsterer und Dekorateur Arthur Richter, der sein Handwerk mit Unterstützung eines Lehrlings verrichtete.
Der Abriss der Weberstraße 1c soll laut Straßenverkehrsbehörde bis 20. Oktober beendet sein. Dann wird die Straße wieder vom Kreisverkehr am Kalktor in Richtung Schützenstraße befahrbar sein. Im Anschluss wird der freiliegende Giebel des Nachbargebäudes Weberstraße 1b verputzt, heißt es von der Stadt Zeitz. (mz)