Ahoi, kleiner Seemann! Warum im Museum Schloss Moritzburg in Zeitz Segelschiffe vor Anker gehen
Was nicht nur Kinderaugen zum Leuchten bringt und warum im Museum Schloss Moritzburg Segelschiffe vor Anker gehen.

Zeitz - Sicherlich ist es neben der Puppe eines der ältesten Spielzeuge der Menschheitsgeschichte - das Spielschiff. Grabfunde aus Ägypten belegen dies. Lange bevor es Autos gab, Eisenbahnen durch die Lande dampften, bewegte der Mensch sich und seine Lasten auf Meeren und Flüssen per Schiff von Ort zu Ort. Kinder ahmen die Realität nach. Wer kennt es nicht, jede noch so kleine Pfütze oder schmales Rinnsal wurde zum stürmischen Meer oder rauschenden Fluss. Darauf ein Holzstöckchen als Schiff, das den Unbilden der Naturgewalten trotzen musste. Im Kopf waren wir Kapitäne eines Ozeanriesen, Piraten oder Entdecker.
Die ersten in Deutschland handwerklich hergestellten Spielschiffe sind um 1780 im Raum Sonneberg dokumentiert. Angeregt wurden die Schiffbauer von den gebogenen Spänen aus Tannen- oder Fichtenholz, die bei der Produktion von Holzschachteln Verwendung fanden. In Frankreich waren es die Holzschuhmacher, die die ersten Spielschiffe bauten. Die eigentliche Geburtsstunde der deutschen Spielschiffproduktion schlug im Jahr 1853 in der Nähe von Sonneberg in Thüringen. Im Museum Schloss Moritzburg ist vom 1. Juli bis 24. April 2022 eine Auswahl von Spielschiffen aus verschiedenen Ländern zu sehen. Die Schiffe stammen aus der Sammlung von Claude Bernard und sind eigentlich im Deutschen Spielschiffmuseum in Mutzschen bei Grimma beheimatet. 1.700 Schiffe hat der gebürtige Lothringer zusammengetragen. Nun legen die Spielschiffe in Zeitz an.
„Es ist sehr schwierig, Exemplare zu finden“
Eine Sammlung dieser Größe aufzubauen, bedarf nicht nur einer Menge Zeit, sondern auch viel Glück. „40 Jahre sammle ich schon Spielschiffe. Leider ist es nicht wie beim Blechspielzeug, dass dann einfach in die Ecke gelegt wurde, wenn es beim Spielen kaputt ging. Kaputte Holzschiffe wurden aber schnell einmal im Holzofen entsorgt. Es ist sehr schwierig, Exemplare zu finden“, erzählt Claude Bernard.
Um 1900 wurden 60 Prozent der deutschen Produktion ins Ausland exportiert. Einige Hersteller hatten über 100 verschiedene Modelle im Programm. „Anfänglich waren die Spielschiffe nur für die gehobenen Kreise erschwinglich. Es kostete den sechsfachen Monatslohn eines einfachen Arbeiters“, beschreibt Wolfgang Schröder, der 2. Vorsitzende des Spielschiffe-Vereins, die Entwicklung. Kein Wunder, Prinz Wilhelm von Preußen posierte noch Anfang des 20. Jahrhunderts mit einem riesigen Spielschiff vor der Kamera des Hoffotografen. „Doch in den 20er Jahren wurden die Schiffe langsam zum Massenprodukt. Die Menschen hatten durch die neuen Arbeiterrechte mehr Freizeit. Das Segelschiff stellte jetzt nicht mehr ein Symbol für Luxus dar, sondern war Zeichen von gewonnener Freiheit“, so Schröder.
Keine Angst, dass Schiff davonsegelt?
Bernard hatte Schröder mit dem Virus Spielschiff infiziert. Beide passionierte Segler lagen einmal zufällig Boot an Boot im Hafen. Man freundete sich an, traf sich am Abend, trank ein Gläschen und dann rückte Claude Bernard mit der Sprache heraus. Als Wolfgang Schröder das erste Spielschiff sah, hatte auch ihn die Leidenschaft gepackt. Claude Bernard erklärt das so: „Wenn man ein Spielboot auf dem Wasser treiben lässt, dann ist das so entspannend, als ob man einen Fisch im Aquarium beobachtet.“
Ob er, Claude Bernard, denn keine Angst hätte, dass das Boot einmal auf Nimmerwiedersehen davon segeln würde? „Man bindet einfach eine Spindel mit einem langen Faden an das Boot. Damit können sie es wieder zurückholen.“ Im Museumspädagogischen Zentrum „Johannes Lebek“ haben die jungen Ausstellungsbesucher die Möglichkeit, sich selbst ein kleines Boot aus Holz oder Papier zu bauen und im Brunnen der Orangerie fahren zu lassen. (mz)
Anmeldung unter 03441/68 81 51