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Tanner beweist die Kraft, dem System ein «Buch zu stellen»

Von Florin Kautz 05.02.2006, 18:14

Zeitz/MZ. - Ihn einfach nur als Autor zu bezeichnen wäre wahrscheinlich verfehlt. Er war Punkrocker, hat sich rumgeprügelt und dennoch immer genug Kraft gehabt, um dem allgemein gültigen System ein Bein, oder doch eher ein Buch zu stellen. "Bastardparadies" heißt das neue Werk des Leipzigers und ist im Buchbar Verlag erschienen. Es ist mittlerweile das dritte Buch, und alle wurden bisher im Zeitzer Kulturcafé mugge fug gelesen. Genau das sollte sich am vergangenen Freitag auch wiederholen. Volly Tanner erfreut sich eines wirklich hohen Beliebtheitsgrades. Denn nur sehr selten war das kleine Café in der Geraer Straße bei Veranstaltungen dieser Art so üppig gefüllt. In dem neuen Buch rechnet Volly mit zu hoch gewachsenen Neubaubuden ab, definiert die Jahrzehnte kurz neu und liefert jede Menge scharfe Munition, um auch als Ungeübter auf die allgemeinen Denkweisen im allgemeinen und die Gesellschaft im speziellen los gehen zu können.

Das Publikum war begeistert, worum es auch ging, erst mal musste gelacht werden. Natürlich darf in einem Neuzeit-Werk wie "Bastardparadies" eine Auflistung ausgewählter Kleidungsstücke und Bettbezüge aus Schränken und Kisten des Autors nicht fehlen. Die Aussage dieser Texte ist zwar inhaltsmäßig offensichtlich gleich null. Aber solange das Publikum sich vor Lachen biegt, kann man sich als Autor sogar noch bedanken.

Weniger langwierig wendet er sich politischen Orientierungen zu. Volly Tanner beschreibt den Neo-Liberalismus in vier Zeilen - zweifellos sehr treffend - erwartet aber auch nicht von allen Anwesenden, dass sie verstehen, was das Wort eigentlich bedeutet. Zugleich bringt Tanner immer wieder seinen künstlichen Hass auf "Liedermacher" zum Ausdruck: "Ich habe eben mal ein Feindbild gebraucht". Wie viel Ironie in diesem Satz steckt, merkte das Publikum spätestens, als zum Schluss ein Song von Reinhard May gespielt wurde. Nach einem (vorerst) letzten dicken Applaus ging es weiter mit brood, und das bedeutete Musik aus Potsdam.