Professionelle Geburtshilfe Professionelle Geburtshilfe: Was die Zeitzer noch heute von Otto Lange lernen können

Zeitz - Ereignisse um das Zeitzer Krankenhaus bewegen. Unfassbar ist, wie mündige Bürger in aller Öffentlichkeit ganz offensichtlich hintergangen werden. Landrat und Geschäftsführung der Klinikum Burgenlandkreis GmbH sind allen Bürgern die Erklärung schuldig, warum gerade die wirtschaftlich intakte und mit hohen Maßstäben geführte Frauenklinik, die einen sehr guten Ruf über Zeitz hinaus genießt, geschlossen werden soll.
Warum stellt sich überhaupt die Frage einer Schließung nur in Zeitz und nicht in Naumburg? Aus aktuellem Anlass gibt es hier ein Blick auf die Geschichte der Geburtshilfe in Zeitz.
Station wird 1952 eröffnet
1952 gehört zu den besonders erwähnenswerten Jahreszahlen in der bis ins Mittelalter zurückreichenden Geschichte des Zeitzer Gesundheitswesens. In diesem Jahr öffnete nicht nur die Kreispoliklinik in der Rahnestraße 7, sondern als besondere Errungenschaft in der medizinischen Versorgung der Bevölkerung des Zeitzer Kreises auch die Entbindungsstation des Kreiskrankenhauses in der damaligen Arnoldstraße 18, der heutigen Georg-Agricola-Straße, ihre Türen.
Die klinische Geburtshilfe in Zeitz, deren bescheidene Anfänge bereits im Stadtkrankenhaus in der Röntgenstraße wenige Jahre zuvor, aber noch früher in Dr. Herbert Schwendts Privatklinik lagen, etablierte sich dort während des Bestehens der DDR über einen Zeitraum von über 40 Jahren und hat sich bis zum heutigen Tag im Georgius-Agricola-Klinikum Zeitz unter Chefarzt Maik Thieme als Frauenklinik mit den Teilgebieten Gynäkologie und Geburtshilfe hervorragend und weit über Zeitz hinausstrahlend weiterentwickelt.
Zeitzer Babyboom der 1950er Jahre
Um dem Zeitzer Babyboom der 1950er Jahre und der staatlicherseits angestrebten Abkehr von der bis dahin traditionell üblichen Hausgeburt, zu der die Hebamme in die Wohnung kam, angemessen zu begegnen, wurden für die Gynäkologie zwei Gebäude in der Agricola- und Semmelweisstraße mit insgesamt 79 Betten eingerichtet. Das geschah in einer Zeit, als die Auswirkungen des Zweiten Weltkrieges noch allgegenwärtig waren.
Neben dem fortschrittlichen Frauenarzt Herbert Schwendt (1889-1951), dessen am Berghang gelegene ehemalige Klinik An der Stadtmauer 8 seit Jahren zusehends verfällt, hatte sich bereits der Chirurg Dr. med. Otto Lange (1882-1945) als Chefarzt des Zeitzer Stadtkrankenhauses für eine bestmögliche Betreuung aller werdender Mütter eingesetzt und den Ausbau der chirurgischen Frauenstation in Zeitz forciert. Immerhin konnte er bereits als junger Assistenzarzt an der Frauen-Klinik in Jena 1911/12 viele praktische Erfahrungen sammeln.
Otto Lange war Sohn eines Malermeisters aus dem Zeitzer Brühl
Während seiner Dienstzeit als leitender Oberarzt in Zeitz zwischen 1924 und 1934 gelang es ihm nach den Notjahren des Ersten Weltkrieges mit Unterstützung eines fähigen und verantwortungsvollen Zeitzer Magistrats, dem damals die Verwaltung und Finanzierung oblag, das Stadtkrankenhaus zu einer leistungs- und zukunftsfähigen städtischen Einrichtung zu entwickeln. Die ab 1930 sogar mit beachtlichen Überschüssen arbeitete, wodurch 1933 der lange geplante Erweiterungsbau mit einem modernen Operationssaal errichtet werden konnte.
Otto Lange, Sohn eines Malermeisters aus dem Zeitzer Brühl, war Schüler und Amtsnachfolger des hoch angesehenen Chirurgen Dr. med. Richard Poelchen (1855-1947), der von 1890 bis Ende 1923 das Zeitzer Krankenhaus geleitet hatte.
Anfangs ein fast aussichtsloser Kampf
Wie es möglich gewesen ist, das Zeitzer Krankenhaus in den wirtschaftlich höchst schwierigen Jahren nach dem verhängnisvollen Weltkrieg sicher und beispielgebend in der damaligen Provinz Sachsen in die Zukunft zu führen, verrät der Mediziner Otto Lange, der sich seiner Kompetenz bewusst war, selbst in seinen überlieferten Aufzeichnungen.
„Nur wenn ärztliche und wirtschaftliche Leitung in einer Hand vereinigt sind und an der Spitze das Bestreben herrscht, Sparsamkeit walten zu lassen, kann auch Gutes erreicht werden, selbst dann, wenn, wie in Zeitz, zu Anfang ein fast aussichtsloser Kampf zu führen war.“ Sätze, die gerade heute wieder aktuell sind. Und noch etwas erschien Lange wichtig: „In allen Berichten ist von mir immer wieder darauf hingewiesen worden, dass die Aufwendungen für das Haus im Vergleich zu anderen Städten noch zu gering geblieben sind.“
Erinnerungen an den Arzt
Otto Lange, der den Nazis spätestens seit seiner der Wahrheit verpflichteten Aussage im Prozess um den Tod des „Jungvolkführers“ Werner Gerhardt 1932 ein Dorn im Auge war, wurde 1934 trotz seiner bekannten Verdienste aus politischen Gründen seines Amtes enthoben. Bereits im Spätsommer 1933 war gegen den Mediziner ein ungeheuerliches Kesseltreiben initiiert worden, das in der Denunziation des am Zeitzer Stadtkrankenhaus tätigen Assistenzarztes Werner Resch gipfelte.
Alle vorgetragenen Unterstellungen stellten sich letztendlich vor dem am 31. August 1933 einberufenen Sondergericht in Halle (Saale) als Lügen heraus. Nach seiner offiziellen „Versetzung in den Ruhestand“ praktizierte Lange weiter in seiner Villa Geußnitzer Straße 18, wo er als Chirurg und Gynäkologe eine Privatklinik betrieb. Eine Fingerverletzung, die er sich während der komplizierten Operation seiner schwerkranken Ehefrau zugezogen hatte, führte zu einer Blutvergiftung, die seinen frühen Tod am 25. Januar 1945 herbeiführte.
Nicht nur die Dr.-Lange-Straße erinnert seit 1947 an den standhaften Zeitzer Arzt. Unweit der Kapelle auf dem Unteren Johannisfriedhof in der Stephansstraße wurde im Herbst 2016 durch seine in den Niederlanden lebenden Enkel ein neuer Grabstein aufgestellt, der jenen Ort markiert, wo Otto Lange und seine Frau Elisabeth 1945 ihre letzte Ruhe gefunden haben. (mz)
