Praxisschließungen drohen Praxisschließungen drohen: Für niedergelassene Ärzte in Zeitz ist es "fünf nach zwölf"

Zeitz - Die niedergelassenen Ärzte in Zeitz sind besorgt. Sie fürchten, dass sich nicht nur die Hausarztversorgung dramatisch verschlechtern könnte. „Eine Stadt ohne ausreichende medizinische Grundversorgung wird nie attraktiv sein können“, heißt es in dem von 23 Medizinern unterschriebenen Brief, „es ist fünf nach zwölf.“ Norbert Müller, promovierter Facharzt für innere Medizin und Stadtrat (FWZ) übergab den Brief an Oberbürgermeister Christian Thieme (CDU).
Laut Kassenärztlicher Vereinigung Sachsen-Anhalt ist bereits jetzt jeder sechste Hausarzt in Sachsen-Anhalt älter als 65 Jahre. Für 2025 wird erwartet, dass die Hälfte der Mediziner in diesem Alter sind. „In unserer Stadt praktizieren derzeit vier Mediziner, die älter als 65 sind und mindestens neun Mediziner zwischen 60 und 64 Jahren, Haus- und Fachärzte“, erklärt Müller, der selbst in eigener Niederlassung in Gemeinschaftspraxis mit anderen Kollegen tätig ist, „wobei sich vor allem die Nachbesetzung allgemeinmedizinischer Praxen schwierig gestaltet.“
„Die hohe berufliche Belastung und letztlich die ländliche Lage sind wohl ursächlich.“
Die Ursachen seien sicher vielfältig, meint Müller. „Am Einkommen kann es aus meiner Sicht nicht liegen. Hier stimme ich auch mit Jörg Federbuch (Sprecher niedergelassene Ärzte in Zeitz) überein. Die hohe berufliche Belastung und letztlich die ländliche Lage sind wohl ursächlich.“ Daran kann die Stadt nichts ändern. „Aber wir können gemeinsam die sogenannten weichen Faktoren beeinflussen beziehungsweise unsere Stärken besser hervorheben.“
Hier nennt Müller zunächst die Nähe zur Großstadt Leipzig, auch Gera und Jena seien gut erreichbar, die landschaftliche Umgebung sei reizvoll, die Infrastruktur in der Kleinstadt weitestgehend intakt und relativ gut ausgebaut. Doch auch die Stadtverwaltung könne etwas tun: „Die Schaffung einer zentralen Anlaufstelle für niederlassungswillige Ärzte, aber auch für Interessenten anderer Berufsgruppen wäre denkbar. Das kann die Wirtschaftsförderung sein oder aber auch die persönliche Referentin unseres Oberbürgermeisters. Wir könnten Hilfestellung leisten bei der Wohnungs-, Immobilien- beziehungsweise Grundstückssuche, auch bei der Suche nach Kitaplätzen.“
Fehlende Hausärzten werden auch für das Georgius-Agricola-Klinikum in Zeitz zum Problem
Dies sollte man auch kommunizieren, zum Beispiel in einer Broschüre darstellen und/oder auf der Homepage von Zeitz veröffentlichen. „Darüber hinaus sollte die Stadtverwaltung in die Offensive gehen und sich den Universitäten präsentieren und aktiv junge Kollegen bewerben.“ Das fehlen von Hausärzten wird auch für das Georgius-Agricola-Klinikum in Zeitz zum Problem: Viele Patienten, die keinen Hausarzt finden oder zu lange auf Termine bei Fachärzten warten, gehen in die Notaufnahme.
Die ist eigentlich für akute Notfälle da. Markus Preußler, promovierter leitender Oberarzt der Rettungsstelle, und sein Team haben aber stets viele Patienten im Wartezimmer, die keine Notfälle sind. „Wir haben jetzt in der letzten Zeit keinen Anstieg feststellen können, aber die Zahl derer, die keine Notfälle sind, bewegt sich hier ohnehin auf sehr hohem Niveau.“
„Aber wie das so ist, die Mühlen mahlen langsam“
Aber nicht nur deshalb hält Norbert Müller den Schulterschluss mit dem Zeitzer Klinikum für sehr wichtig. „Hier werden ja unsere zukünftigen Fachkollegen ausgebildet, auch zum Facharzt für Allgemeinmedizin“, erläutert er. „Zum Beispiel ist Dr. Jörn Röhler, Oberarzt der Medizinischen Klinik, verantwortlich für die Ausbildung unserer zukünftigen Allgemeinmediziner.“ Ansätze habe es ja in der Vergangenheit schon gegeben, erinnert Müller.
„Aber wie das so ist, die Mühlen mahlen langsam. Jetzt ist es Zeit, unsere Kräfte nochmals zu bündeln.“ Deshalb auch der Schritt in die Öffentlichkeit mit dem offenen Brief. „Ich begrüße eine solche Initiative sehr, weil eine ausreichende Ärzteversorgung wie vieles andere ein wichtiger Standortfaktor für eine Stadt ist“, sagt Oberbürgermeister Christian Thieme.
Problem ist aus Thiemes Sicht jedoch hochkomplex
Dieses Problem ist aus Thiemes Sicht jedoch hochkomplex und kann nur mit vereinten Kräften vom Bund, dem Land, den Hochschulen, Kassenärztlichen Vereinigungen, Kommunen und Ärzten bewerkstelligt werden, da „vor allem wir hier vor Ort nur einen äußerst begrenzten Einfluss auf die bestimmenden Faktoren haben“. Es handele sich um ein typisches Problem ländlicher Regionen, das bundesweit anzutreffen sei und bei dem bereits vieles versucht wurde.
„Dennoch ist es natürlich wichtig und richtig an dem Thema dran zu bleiben und auch im Kreistag sowie gemeinsam mit der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen-Anhalt ergebnisorientiert zu beraten“, so Thieme. „Nachhaltige Lösungen finden wir – wenn überhaupt – nur gemeinsam.“ (mz)
