Nagel im Hinterkopf Nagel im Hinterkopf: Wie die "Krötenfrau" von Zeitz einst ihren Ehemann umbrachte

Zeitz - Längst umgestürzt und bis zur Unkenntlichkeit verwittert, würde sich die Krötenfrau, eines der schönsten Zeitzer Grabdenkmale aus der Barockzeit, heute präsentieren, wäre sie nicht Anfang Dezember 1952 ins Franziskanerkloster gebracht worden, sondern im Goethepark verblieben. Mehr als 200 Jahre lockte die geheimnisvolle Schöne aus Stein, zu deren Füßen eine Kröte und ein Totenkopf liegen, dort die Besucher des einstigen Oberen Johannisfriedhofs und späteren Friedens- bzw. Goetheparks wie magisch an.
Das Interesse an der Grabfigur, die ganz in der Nähe des oberen Ausgangs zur Weberstraße stand, war sogar so groß, dass sich die Stadtgärtnerei veranlasst sah, zwei zusätzliche Wege über die Grasfläche zu dem Grabmal anzulegen, damit diejenigen, die die „Gattenmörderin“ aus der Nähe betrachten wollten, nicht den gepflegten Rasen zertrampeln.
Die Krötenfrau von Zeitz: Eine bekannte Sage
Oft und variationsreich erzählt wurde vom Zeitzer Volksmund im 19. und 20. Jahrhundert die Sage, die sich um das 1,75 m große und acht Zentner schwere Kunstwerk ranken soll, das die Gegensätzlichkeit des Barocks, nämlich die Schönheit des Lebens in Gestalt einer in Trauergewand gehüllten Frau und der Schrecklichkeit des Todes darstellt.
An der Ecke Roßmarkt-Gewandhausstraße befand sich einst eine Bäckerei, die einem älteren Meister gehört haben soll. Dessen Haushalt erledigte ein junges hübsches Mädchen, das aus Droyßig stammte und sich durch Fleiß auszeichnete. Der Legende nach fand der Bäckermeister allmählich so sehr Gefallen an ihr, dass er sie vor den Traualtar führte. Nicht lange sollte das Eheglück währen. Über die Jahre war der Meister immer gebrechlicher und für seine junge Frau unattraktiv geworden.
Krötenfrau von Zeitz: Meister wurde Nagel in Hinterkopf geschlagen
Mit der Notwendigkeit, einen Gesellen in seinem Haus anzustellen, beschwor er unweigerlich das Unglück, denn schon bald darauf entbrannte die Leidenschaft der Frau für den Gesellen, der diese Gefühle erwiderte. Beide setzten ihren teuflischen Plan, den alten Meister zu ermorden, bald darauf in die Tat um. Sie machten ihn betrunken und schlugen ihm einen eisernen vierkantigen Nagel in den Hinterkopf, wodurch der Ehemann auf grausame Weise ums Leben kam. Erstaunlicherweise entdeckte keiner das Verbrechen, auch weil das Haar des Verstorbenen den Nagel verbarg.
Auf dem Oberen Johannisgottesacker vor dem Wendischen Tor wurde der Verstorbene zur letzten Ruhe gebettet. Zumindest das Trauerjahr wartete die Schwarze Witwe ab, ehe sie den Gesellen ehelichte, der die Bäckerei als Meister fortführte, was damals allgemein üblich war und daher kein Misstrauen hervorrief. Ein langes Eheglück war beiden allerdings nicht beschieden, denn der neue Bäckermeister starb jung. Viele Jahre zogen ins Land.
Leiche gemeinsam mit einer Kröte entdeckt
Eines Tages wurde die Grabstätte, in der man den Meister seinerzeit begraben hatte, für eine Neubelegung geöffnet. Dabei entdeckte der Totengräber von St. Michael die Knochen des Verstorbenen und an dem Schädel eine Kröte, die er zunächst mit dem Fuß fortstieß. Da diese aber wieder an derselben Stelle auftauchte, sah er genauer hin und musste schauerlicherweise feststellen, dass das Tier an einem rostigen Nagel leckte, dessen Kopf aus dem Schädel herausragte. Schnell vermutete er, ein Verbrechen entdeckt zu haben, weshalb ihn sein Weg zum Richter führte, der die Witwe vorlud.
Sie gestand, das Verbrechen einstmals gemeinsam mit ihrem zweiten Ehemann begangen zu haben und wurde daraufhin verurteilt und hingerichtet. Gleichzeitig musste sie versprechen, auf ihrem Grab ein Denkmal errichten zu lassen, das sie in Gegenwart einer Kröte und eines Totenschädels darstelle und an die Tat erinnern sollte.
Als Schöpfer der Krötenfrau gilt Johann Christian Trothe
Als Schöpfer der Krötenfrau gilt Johann Christian Trothe (1702-1760), ein Meister des Merseburger Hochbarocks, der als Architekt und Bildhauer wirkte. Stilistische Merkmale, wie etwa der geschwungene und pathetische Aufbau seiner Kunstwerke, lassen eine Zuordnung dieser Arbeit aus seiner Werkstatt mit hoher Wahrscheinlichkeit als sicher erscheinen.
Anfang der 1950er Jahre zeigten sich immer deutlicher Verwitterungserscheinungen am Denkmal der Krötenfrau. Es war sprichwörtlich 5 Minuten vor 12, als im Herbst 1952 die Planungen zur Umsetzung auf Hochtouren liefen, denn ein einziger heftiger Stoß hätte genügt, um das Grabmal umzustoßen. Zunächst war auf Anregung des Landeskonservators und vom Rat der Stadt Zeitz die barocke Lorenz’sche Gruftkapelle von 1705 an der Weberstraße für die Aufstellung der wertvollen Grabfigur mitsamt dem Klippensockel vorgesehen.
Jedoch spielte die Statik des Gebäudes nicht mit; eine neue Fußbodenplatte über der Gruft hätte eingezogen werden müssen, wofür aber kein Geld zur Verfügung stand. Die Abnahme des Grabmals erfolgte schließlich durch die Bildhauer- und Steinmetzwerkstatt Späte aus Kayna.
Im Kreuzgang aufgestellt
Schnell stellte sich heraus, dass die Sandsteinfigur völlig durchnässt und die viereckige Fußplatte nur noch durch drei Zentimeter des gesamten Steinkerns mit der Frauenfigur verbunden war. Nicht mehr lange hätte es gedauert und die Figur wäre zu Boden gestürzt. Erstaunlicherweise besteht der ebenfalls erhaltene, etwas mehr als 20 Zentner schwere Sockel aus einem einzigen großen Sandsteinblock, der kunstvoll nur vortäuscht, aus mehreren aufeinander geschichteten Feldsteinen errichtet worden zu sein.
Im wiederaufgebauten Kreuzgang des Franziskanerklosters, der während des Bombenangriffs am 30. November 1944 zerstört worden war, fand „die trauernde Frau“, wie die Zeitzer das Grabmal früher nannten, schließlich Aufstellung. Dort fristete sie allerdings über die Jahrzehnte ein Schattendasein und geriet in Vergessenheit. 1998 entdeckten Mitglieder des Vereins zur Förderung der ländlichen Region im Rahmen eines Projektes zur Erforschung der regionalen Friedhöfe die Krötenfrau unter Bauschutt und legten sie wieder frei. (mz)