1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Zeitz
  6. >
  7. Lange Wege: Lange Wege: Warum Zeitzer für Herzschrittmacherkontrollen nach Naumburg müssen

Lange Wege Lange Wege: Warum Zeitzer für Herzschrittmacherkontrollen nach Naumburg müssen

Von Angelika Andräs 25.07.2019, 05:00
Oberarzt Rico Hildwein bereitet mit Claudia Seuß, Leiterin Funktionsdiagnostik, die Untersuchungen vor.
Oberarzt Rico Hildwein bereitet mit Claudia Seuß, Leiterin Funktionsdiagnostik, die Untersuchungen vor. Holger Krimmer

Zeitz - Klaus Jakob versteht die Welt nicht mehr. Auf einmal soll der 79-jährige Zeitzer zur regelmäßig anstehenden Herzschrittmacherkontrolle nach Naumburg fahren. Denn Kardiologe Rico Hildwein, Oberarzt der Klinik für innere Medizin im Georgius-Agricola-Klinikum Zeitz, darf die Kontrollen nicht mehr vornehmen. So lautet die Entscheidung des Zulassungsausschusses der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Sachsen-Anhalts.

Herzschrittmacherkontrollen in Naumburg per Vorlage der Krankenkassen

„Warum soll ich auf einmal nach Naumburg fahren“, sagt Jakob, „ich will bei meinem Doktor Hildwein bleiben. Dann muss ich aber die Kosten der Kontrolle, 40 Euro, selbst bezahlen.“ Rico Hildwein, der eigens eine Ausbildung in Leipzig absolvierte, damit den Patienten in Zeitz seit 2014 die Herzschrittmacherkontrolle angeboten werden kann, darf nach dem Implantieren nur noch die Erstkontrolle innerhalb der ersten drei Monate durchführen. Das hat er jetzt schwarz auf weiß vom Zulassungsausschuss der KV. Für ihn völlig überraschend. Denn von der Kassenärztlichen Vereinigung sei sogar noch der Hinweis gekommen, eine unbefristete Zulassung zu beantragen.

„Ich erkläre das meinen Patienten jetzt immer so: Es gibt die Ärzte im Krankenhaus, und es gibt niedergelassene Ärzte. Wir Ärzte im Klinikum dürfen nur dann ambulante Leistungen durchführen, wenn wir damit eine Versorgungslücke schließen.“ Und eine solche besteht laut KV nicht mehr im Burgenlandkreis, weil in Naumburg in einer Praxis ein zweiter Kardiologe mit Genehmigung zur Herzschrittmacherkontrolle angestellt wurde. Damit gibt es im Kreis drei Ärzte mit Zulassung für die Kontrollen. Auch wenn in Zeitz bei niedergelassenen Kardiologen und bei Kardiologen mit Herzschrittmacherkontrolle eine Null steht.

Krankenkassen widersprechen Kritik: Sie halte sich an gebende Gesetze

Die Kassenärztliche Vereinigung erklärt auf MZ-Anfrage, dass der Zulassungsausschuss im Ergebnis der Bedarfsprüfung zu dem Schluss gekommen sei, dass im Burgenlandkreis „ausreichend Behandlungskapazitäten zur Verfügung stehen“. Wo sie zur Verfügung stehen, spielt offensichtlich keine Rolle. Denn die Nachfrage der MZ, ob dies eine Entscheidung im Sinne der Patienten, oft alten und auch anderweitig kranken Menschen sei, gibt es keine Antwort. Stattdessen heißt es, dass man sich an das „vom Bundesgesetzgeber festgelegte System der vertragsärztlichen Versorgung“ halten müsse.

„Fahrstrecken und Fahrzeiten werden von den Zulassungsgremien bei der Entscheidung berücksichtigt. Grundsätzlich müssen längere Fahrzeiten zugemutet werden, je spezialisierter die Leistung ist.“ Warum aber muss den Zeitzern die Fahrt nach Naumburg zugemutet werden, obwohl es das „spezialisierte Angebot“ vor Ort gibt? „Wäre es nicht auch Aufgabe einer solchen Instanz, darauf zu achten, dass möglichst viele eine Versorgung vor Ort haben?“, fragt eine Patientin, „man hat mir das bei meinem Anruf in Magdeburg erklärt.

Die MZ schrieb im Juni 2014: Die Kontrolle von Herzschrittmachern und Defibrillatoren sowie von CRT-D-Systemen werden jetzt auch im Georgius-Agricola-Klinikum in Zeitz durchgeführt. Der Kardiologe Rico Hildwein bringt dafür nicht nur die fachliche Qualifikation mit, er hat auch die Ermächtigung der Kassenärztlichen Vereinigung. Diese Genehmigung war nötig, und Voraussetzung dafür war wiederum, dass niedergelassene Kardiologen im Burgenlandkreis, die Schrittmacher-Kontrollen durchführen, zustimmen. „Erfreulicherweise hat es da keine Probleme gegeben“, sagt Oberarzt Jörn Röhler. Der promovierte Mediziner ist Facharzt für innere Medizin/Kardiologie. In diesem Jahr heißt es von der Kassenärztlichen Vereinigung: „Bei seiner Entscheidungsfindung lagen dem Zulassungsausschuss insgesamt drei negative Stellungnahmen zu dem Antrag vor“.

Verstanden habe ich nur eines: Egal, wie der Nahverkehr ist, egal, ob einen die Kinder fahren können, ich muss sehen, wie ich nach Naumburg komme und das auch selbst bezahlen. Oder ich bezahle hier 40 Euro. Hauptsache, ich bezahle und andere sparen oder verdienen.“ Sie wird die 40 Euro in Zeitz bezahlen, denn sie fühlt sich im Klinikum und vor allem bei Rico Hildwein gut aufgehoben.

Klinikum hat gegen die Entscheidung bei der KV Widerspruch eingelegt

„Die Patienten fragen: Wieso soll ich 30 Kilometer fahren, wenn ich die Untersuchung in Zeitz haben kann?“, meint Hildwein, „das ist ja auch nicht wirtschaftlich. Wirtschaftlich ist eine ortsnahe medizinische Versorgung.“ Doch es entstehen ja nicht nur dem Patienten Mehrkosten: Krankenkassen übernehmen zum Beispiel Herzschrittmacherkontrolle und Transport zur Untersuchung von Patienten aus dem Pflegeheim. Hier entstehen durch längere Wege ganz real Mehrkosten, die alle mittragen müssen.

Das Klinikum hat gegen die Entscheidung bei der KV Widerspruch eingelegt. Ausgang offen. Den Zeitzer Herzschrittmacher-Patienten ist das Vertrauen zu ihrem Arzt und die Nähe wichtiger. Nur wenige wollen nach Naumburg fahren. Und noch einen Aspekt sieht Hildwein als Arzt im Sinne der Patienten: „Es geht nicht nur um die Mehrkosten. Wenn Patienten stundenlang unterwegs sind für die 15 Minuten Kontrolluntersuchung, das kostet nicht nur Geld, das kostet die Patienten vor allem auch Lebenszeit.“ (mz)