Im Gespräch mit Wachleiter Heinrich Im Gespräch mit Wachleiter Heinrich: "Wir spielen mit dem Feuer"

Zeitz - „Wir wollen keine goldenen Türklinken, wir wollen nicht immer und von allem die modernste Technik, aber wir brauchen genügend Einsatzkräfte, um die, die wir haben, nicht zu gefährden und um im Ernstfall retten und Brände löschen zu können“, sagt René Heinrich. Er ist seit Mai Wachleiter der Zeitzer Feuerwehr. Und er fügt an: „Wir haben zu wenig Kräfte, wir bewegen uns außerhalb der gesetzlichen Vorgaben. Und das heißt: Wir spielen mit dem Feuer.“ Das sprach er in der Runde mit Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) an, zu der Landtagsabgeordneter Arnd Czapek (CDU) eingeladen hatte. Im Klartext heißt das, dass die Zeitzer Feuerwehr bei so mancher Alarmierung eigentlich gar nicht ausrücken dürfte, weil nicht den gesetzlichen Vorgaben entsprochen werden kann.
René Heinrich ist seit Mai Wachleiter bei der Feuerwehr in Zeitz. Der 39-Jährige wohnt in Zwenkau, wo er auch weiterhin leben möchte. Richtig zu Hause ist er aber im Vogtland. Er kommt aus Treuen, wo er mit seinen beiden Brüdern aufwuchs. „Wir sind Drillinge, und wir haben alle drei den Blaulichtkoller.“ So zog es einen Bruder ebenfalls zur Feuerwehr, der dritte ist mittlerweile Rettungsassistent.
Wie genau er eigentlich zur Feuerwehr kam, weiß Heinrich nicht mehr. Nur eines: Irgendwann war ihm klar, das ist es. Um einen handwerklichen Beruf zu lernen, den er für die Feuerwehrlaufbahn brauchte, wurde er Maurer und litt drei Jahre, weil es „nicht sein Ding war“. Die Feuerwehrberufsausbildung absolvierte er in Gera an der Landesfeuerwehrschule - er ist Gruppenführer und Stabsführer bei der Freiwilligen Feuerwehr. In der Glasmanufaktur Dresden war er Leiter von Feuerwehr und Sicherheitsdienst.
Als die Firma schloss, wurde er Gemeindewehrleiter in Grimma und stand damit 600 aktiven Mitgliedern vor. In der Stadtverwaltung Grimma war er zuständig für den Bereich Brandschutz. Ehe er im Oktober 2013 nach Zeitz in den Einsatzleiterdienst kam, „verabschiedete“ er sich dort als Einsatzleiter beim Hochwasser. René Heinrich ist ledig, verbringt so viel Zeit wie nur möglich in Treuen bei seiner Familie, macht Kraftsport, fährt gern Rad und ein schnelles Auto. (and)
Heinrich macht keine Vorwürfe, er macht keine Polemik, er nennt Beispiele: Schickt der Einsatzleiter bei einem Brand den Angriffstrupp ins brennende Haus, dann muss dieser Trupp aus zwei Kameraden bestehen, und es müssen zwingend zwei weitere bereitstehen, um diesen ersten Trupp zu sichern und im Notfall zu retten.
Oft genug sind aber nur drei Einsatzkräfte da, mit denen überhaupt der Angriff begonnen werden kann. Oder anders: Bei einem Verkehrsunfall, wie er sich zum Beispiel am Donnerstag in Zeitz ereignete, wird eine Staffel als Grundeinheit benötigt: fünf Einsatzkräfte und der Einsatzleiter. Heinrich rechnet vor, dass maximal sieben hauptamtliche Kräfte auf der Feuerwache sind. Das bedeutet, dass maximal sechs ausrücken können, denn einer muss zwingend in der Zentrale bleiben. „Einer davon ist dann der Maschinist, einer der Einsatzleiter, bleiben maximal vier statt der erforderlichen fünf. Die Beispiele lassen sich beliebig fortsetzen.
Das Problem ist auch nicht neu. Schließlich ist Heinrich nicht der erste, der es anspricht. Als für den langjährigen Sachgebietsleiter Uwe Prudlik Anfang 2013 das Ausscheiden aus dem Dienst bevorstand, machte er dieselbe Rechnung auf, verwies auf Sicherheitslücken und Risiken und die Unmöglichkeit, die gesetzlichen Vorgaben einzuhalten. „Insbesondere während der Tagesarbeitszeit haben wir eine viel zu geringe Anzahl an Einsatzkräften zur Verfügung“, sagte Prudlik im Januar vergangenen Jahres und hoffte, damit eine Debatte anzuschieben.
Denn so ungewiss es bei Bränden am Abend, in der Nacht oder am Wochenende sein mag, wie viele Feuerwehrleute zur Einsatzstelle kommen, es ist zumindest außerhalb der Arbeitszeit. Das und ein ausgefeilter Alarmierungsplan sichern zumindest, dass mit einer größeren Zahl Freiwilliger zu rechnen ist. Diese brauchen allerdings auch ihre Zeit, denn sie sind nicht vor Ort in der Feuerwache am Steinsgraben. Tagsüber stehen der Zeitzer Feuerwehr im Normalfall aber nur die hauptberuflichen Kräfte zur Verfügung. Prudlik hatte damals auf der Jahreshauptversammlung der Freiwilligen Feuerwehr Zeitz im Capitol ganz klar zum Ausdruck gebracht, dass die beruflichen Kräfte in Staffelstärke, so wie sie gegenwärtig vorgehalten werden, für die Zukunft und die Aufgaben der Feuerwehr viel zu wenig seien. Die neue Ausrichtung der Einsatzstärken und der Strategie der Feuerwehr in Zeitz waren für Prudlik keine Option. „Sie müssen, ich betone müssen, vor allem im Zuge der Sicherung der geplanten Investitionen der Südzucker AG neu ausgerichtet werden.“ Ein Jahr später waren an selber Stelle, wiederum öffentlich, ganz ähnliche Sätze von Prudliks Nachfolger zu hören. Kai Pfützner schaffte den Spagat zwischen der Realität in Zeitz und der Pflicht und dem Willen jedes einzelnen Feuerwehrmannes, zu retten und zu löschen, nicht mehr. Er legte sein Amt nieder. Zu wenig Einsatzkräfte, zu lange aufgeschobene Anschaffungen - wer soll die Verantwortung tragen? Pfützner konnte es nicht mehr. „Bei der Haushaltssituation steuern wir langfristig auf ein Fiasko zu“, sagte er.
René Heinrich geht es nicht darum, Vorwürfe zu erheben oder jemandem den Schwarzen Peter zuzuschieben. Er will Sicherheit. Für die, die in den Einsatz gehen, aber auch für die, die ihn leiten und verantworten. Was er sagt, versteht er als Hilferuf. Als Hilferuf, um die Einsatzbereitschaft der Wehr zu sichern und damit die Sicherheit der Zeitzer zu garantieren. (mz)
