1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Zeitz
  6. >
  7. Hochwasser im Burgenlandkreis: Hochwasser im Burgenlandkreis: Das Aufräumen beginnt

Hochwasser im Burgenlandkreis Hochwasser im Burgenlandkreis: Das Aufräumen beginnt

Von Ralf Böhme 07.06.2013, 18:04
Zu Wochenbeginn: Die Luftaufnahme zeigt das Gehöft von Katrin Zimmermann in Schleckweda, rundum eingeschlossen von der Flut.
Zu Wochenbeginn: Die Luftaufnahme zeigt das Gehöft von Katrin Zimmermann in Schleckweda, rundum eingeschlossen von der Flut. Corinna Wujtschik Lizenz

Zeitz/MZ - Ihren Urlaub hat sich Katrin Zimmermann ganz anders vorgestellt. Denn an freien Tagen lässt sie es gerne ruhig angehen. Stattdessen kämpft die 43-Jährige derzeit mit dem schweren Hochwasser - und dem Ausnahmezustand in ihrem Heimatdorf Schleckweda (Burgenlandkreis): Angstvolles Abwarten, Alarm und dramatische Rettung, eine unruhige Nacht in der Notunterkunft - und nun das große Aufräumen. „Was ich in dieser Woche erlebe, kann mir kein Reiseveranstalter bieten“, versucht es die 43-Jährige mit Humor. Jetzt, da sie hoffen darf, dass das Schlimmste wohl überstanden ist.

Die Weiße Elster, die das kleine Dorf zu Wochenbeginn meterhoch überspült, zieht sich zurück - nur allmählich, aber immerhin: Zentimeter für Zentimeter. Noch strömt das Wasser über die möglicherweise schwer beschädigte Ortsdurchfahrt, stehen hohe Uferbäume bis zur Krone in den Fluten. Doch Zimmermanns Gehöft, glücklicherweise ohne Keller gebaut, ist keine Insel mehr und in Gummistiefeln wieder frei zugänglich. Der erste Eindruck: eine Idylle im Grünen. Doch das täuscht. Auf Katrin Zimmermann wartet viel Arbeit. Auch Geld braucht sie, für Reparaturen. Ob Erspartes dafür reicht? Sie weiß es noch nicht.

Wo beginnen? Zuviel ist aus den Fugen geraten. Türen und Tore an Haus, Scheune und Schuppen sind verzogen, lassen sich kaum öffnen und schließen. Im Erdgeschoss - höchster Wasserstand 1,15 Meter - stehen schwere Eichenholz-Möbel immer noch in Pfützen. Überall Schlamm, auch im Brunnen. Die Hauswasserpumpe ist aus der Verankerung gerissen, steht auf dem Kopf. Die Frau, die das über 100 Jahre alte Haus und den Garten allein bewirtschaftet, handelt - jedoch anders als man vielleicht erwartet.

Zuerst holt sie ihre Sitzbank zurück. Die schwere Holzkonstruktion hängt, von der Wucht des Hochwassers dorthin getragen, weit außerhalb des Hofes in einem Weidenzaun. Später greift Katrin Zimmermann, die als Lagerarbeiterin bei einem Discounter kräftiges Zupacken gewöhnt ist, zu Schaufel und Besen. Das Ergebnis nach einem Vormittag: ein großer Haufen aus getrocknetem Schlamm und angetriebenen Unrat. „Aber wie nach dem großen Regen jetzt die Sonne brennt.“ Die Hobby-Bäuerin wischt sich den Schweiß von der Stirn.

Unter dem Sonnenschirm spricht sie über ihre Hochwasser-Erlebnisse. Als das Wasser nachts in den Hausflur eindringt, habe sie versucht, es aufzuwischen. „Natürlich ist das Blödsinn, aber ich hatte keinen Plan.“ Als der Strom ausfällt, zieht sie sich zurück in die erste Etage. Erschöpft sei sie dort eingeschlafen. Das Rauschen der Flut habe sie dann geweckt. In jede Richtung der gleiche Ausblick: Wasser, Wasser, Wasser - bis zum Horizont. Zimmermann: „Diese Ausweglosigkeit, es war zum Heulen, mir dröhnte der Kopf, bis die Feuerwehr kam.“ Unvergesslich sei ihr der Moment, wie sie dann aus dem Fenster ins Schlauchboot steigt. „Dieses Gefühl kann ich nicht beschreiben.“

Eigentlich zieht es die Frau, die Blumen über alles liebt, in ihren Garten. Aber sie vermutet Verwüstungen in den Pflanzungen. „Mir fehlt die Kraft, das anzusehen.“ Außerdem stehe dort noch viel Wasser, erklärt Zimmermann ihr Zögern. Nun rollen Nachbarn einen Anhänger der Feuerwehr auf den Hof. Eine Pumpe soll den Brunnen leeren. Über drei Meter hoch steht eine braune, stinkende Brühe darin. Schläuche werden ausgerollt, die Technik in Position gebracht. Dann geht es los. Katrin Zimmermann kann sich schon wieder freuen: „Gott sei Dank, es geht voran, das ist das Wichtigste.“

Anders als in Schleckweda sind 25 Kilometer stromabwärts in Ostrau nur ganz kleine Schritte möglich. Rund um die historische Mühle ruht das Wasser in einer Senke der Auenlandschaft noch bis zu 70 Zentimeter hoch - trotz sinkender Pegel am Fluss. Ilona Köhler und Karl-Heinz Richter, die Bewohner des Mühlenhauses, gelangen über einen selbst gebauten Steg auf das Trockene.

Nach 1954 und 2011 ist es das dritte extreme Hochwasser, das die Familie hier überstehen muss. Doch die Hausherrin, die einst als Fünfjährige in der Zinkbadewanne über den überschwemmten Mühlenhof gepaddelt ist, treiben jetzt im Ruhestand große Sorgen um. „Wir hatten das Erdgeschoss gerade als Ferienwohnung ausgebaut.“ Wegen der Wasserschäden muss jetzt wahrscheinlich von Grund auf entkernt werden. Und Lebensgefährte Karl-Heinz ist zwar als ehemaliger Marineoffizier gern am Wasser, aber auch er sagt genervt: „Einen Pegelstand von 6,50 Meter, den steckt so ein Dorf nicht weg. Das ist verheerend.“

Mühsam beginnt der Mann den erst kürzlich verlegten Laminat-Boden herauszubrechen. „Das Zeug quillt auf, genau wie die Trockenbau-Gipswände und die Dämmwolle, da ist nichts mehr zu retten.“ Später schleppt er gemeinsam mit seiner Frau einen tropfnassen Teppich weg. Dabei kommt der Steg gefährlich ins Schwanken. Richter ringt um die Balance: „Die Holzstützen schwimmen auf“, ruft er. Stahl wäre besser, weil schwerer und stabiler.

Seine erste Lehre nach der Flut: „Ein neuer stabiler Steg muss her, rasch, für alle Fälle.“ Dass das nächste Hochwasser kommt, darin ist sich das Paar einig. Gut wäre, wenn es bald einen Zuschuss von Vater Staat geben würde. Überhaupt, um alles in Ordnung zu bringen, werde man viel Geld in die Hand nehmen müssen. Die ganze Hoffnung ruhe auf der immer noch wirksamen Versicherungspolice aus Vor-Wende-Zeiten, die Hochwasserschäden glücklicherweise mit ersetze.

Die beiden Rentner leben nicht am Fluss, sagen sie, sondern mit dem Fluss. Dieses Verständnis helfe, mit bösen Überraschungen klar zu kommen. „Irgendwie ist man ständig auf der Hut“, sagt Richter. So halte man stets einen Campingkocher einsatzbereit. Der Vorteil aus Sicht von Ilona Köhler: „Als der Scheitelpunkt des Hochwassers erreicht war und der Strom abgestellt wurde, gab es trotzdem warmes Essen - Rouladen und Klöße.“

Nach der Flut der Neuanfang: Katrin Zimmermann beseitigt im Hof die Spuren der Flut.
Nach der Flut der Neuanfang: Katrin Zimmermann beseitigt im Hof die Spuren der Flut.
Corinna Wujtschik Lizenz