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Gaststätten-Jubiläum Gaststätten-Jubiläum: Als es Wasser statt Bier zum Korn gab

Von Holger Zimmer 14.03.2003, 20:50

Uichteritz/MZ. - Kein Uichteritzer sagt: "Ich gehe in die 'Weintraube'". Doch "Schatzens" sind seit 100 Jahren eine Institution. Reinhold Schatz und seine Verlobte Anna Deubel erwarben das Haus am 10. März 1903 und öffneten ab 1. Mai. Am Samstag wird das Jubiläum gefeiert, und Wirt Karl-Heinz Schatz rechnet mit über 100 Gästen.

Im Dunkeln liegt derzeit das Alter der Gaststätte. Bringfried Schatz berichtet über Rechnungen für "Cavallerie-Verpflegung", die er jüngst bei Sanierungsarbeiten auf dem Boden gefunden hatte. Die älteste stammt von 1773. Auch Zeitungen kamen zum Vorschein, und vor Jahren war neben der Treppe zum Bierkeller hinter einer zugeputzten Luke eine Werbetafel der Weißenfelser Brauerei Gürth entdeckt worden.

1965 übernahm Elsa Schatz, die von allen nur Elli genannt wird, die Gaststätte von ihrer Schwiegermutter Martha. Als Umsiedlerin war sie mit Kriegsende aus der

Ukraine gekommen. "Die Gaststätte war kein Zuckerlecken", bekennt sie. Mitunter blieben die Gäste bis nach Mitternacht, und beizeiten hieß es aufzustehen, um Schweine, Hühner und Kaninchen zu füttern sowie Frühstück für die Kinder fertig zu machen. Wenn sie allerdings zu fortgeschrittener Stunde mit dem Hausschlüssel auf die Theke klopfte, war Schluss. Die 76-Jährige hilft noch heute mit und schält zum Beispiel Kartoffeln oder Zwiebeln. "Wenn ich herumsitzen würde, wer weiß, ob ich noch laufen könnte", nennt sie Gründe für ihre Aktivität.

1988 hat Karl-Heinz Schatz die "Weintraube" übernommen. Der heute 46-Jährige ist hier mit seinem Bruder Bringfried (50) aufgewachsen. Sie erinnern sich noch an Tanzveranstaltungen, die bis Mitte der 60er Jahre liefen. Dann war damit Schluss: Der Saal wurde um acht Meter gekürzt, um Kinofilme zeigen zu können. Bringfried Schatz erzählt von Charles Bronson, der mit den "glorreichen Sieben" als erster über die Leinwand ritt. Auch Gojko Mitic zog als DDR-Indianer die Zuschauer an, doch Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre wurde es ruhiger im Kino.

Heute bezeichnen die Schatz-Brüder die kurze Zeit, in der Eis verkauft wurde, als mit die schönste ihrer Kindheit. Lange Schlangen hätten sich gebildet, doch leider sei die Eismaschine schon nach ein paar Wochen defekt gewesen. Da sich die Schatzens immer gegen eine Verstaatlichung gewehrt hatten, wurden sie als Kommissionäre nicht gerade bevorzugt. Karl-Heinz Schatz erzählt von 50, 60 Kästen Bier, die es für eine Woche gegeben habe, obwohl 400 bestellt worden waren. Ganz schlimm sei es in den 80er Jahren gewesen. Als das Bier alle war, hätten die Gäste erst Wein und dann Wasser zum Korn getrunken.

Gab es in DDR-Zeiten Bockwurst und Fischbrötchen, so wurde nach der Wende die Speisekarte umfangreicher. Das Geschäft boomte mit den vielen Arbeitern, die vor gut zehn Jahren in den Orten Abwasserkanäle verlegten und Straßen bauten. Iris Ködel, die Lebensgefährtin von Bringfried Schatz, die in der Weißenfelser Gaststätte "Feldschlößchen" gearbeitet hatte, wurde eingestellt.

Ramona Schatz kam wenig später in der Küche hinzu. Es war jene Zeit, in der der Saal mit seinem defekten Parkett und den mit altem Stoff bespannten Wänden saniert wurde. Anfang 1993 konnte hier die erste Hochzeit gefeiert werden, und Bringfried Schatz bekennt, dass erst eine halbe Stunde vor Beginn alles fertig gewesen sei.

Sein Bruder schätzt ein, dass man zum 100-Jährigen ganz zufrieden sein könne, obwohl neben Sportlerheim und "Saaleperle" noch zwei andere Gaststätten im Ort existieren und die Jugend lieber ihren Club nutze. Die einstigen Skatrunden aber würde er gern wieder beleben. Sie hatten eine lange Tradition. Und so hängt ein Grand Ouvert von Gerhard Ködel vom November 1967 unter Glas an der Wand.