Die Frau mit dem Vogel Die Frau mit dem Vogel: Christiane Geidels Herz gehört dem Uhu

Zeitz - Lautlos schwebt der Uhu vom Felsen herab. Wo der imposante Greifer jagt, da ist auch Christiane Geidel nicht weit. Abgelegen sind diese Gegenden zumeist - dort, wo kaum Autos fahren und die Landschaft nicht verdrahtet ist. Da geht die Naturschützerin aus Zeitz im Burgenlandkreis diskret auf Spurensuche und beobachtet, wie ihr Lieblingsvogel lebt.
1,70 Meter weit spannt der Uhu seine Flügel. Damit ist der König der Nacht hierzulande der Flugriese schlechthin. Aber so stark der Eindruck auch ist, den jede Begegnung mit ihm hinterlässt, vergisst die 35-Jährige darüber nicht die vielen kleinen Vögel. „Oftmals sind sie genau so oder noch mehr bedroht wie ein Uhu. “ Deren Schicksal verdiene nicht weniger öffentliche Aufmerksamkeit.
Christiane Geidel engagiert sich bei der Auswahl zum „Vogel des Jahres“
Aus diesem Grund schaltet die Diplomingenieurin aus Sachsen-Anhalt sich aktiv in die Auswahl des „Vogel des Jahres“ ein. Das geschieht in einer Jury des Landesbundes für Vogelschutz in Bayern, der gemeinsam mit dem Naturschutzbund Deutschlands die Entscheidung darüber fällt.
Der Star der nächsten Saison ist demnach die Feldlerche, die sich seit langem quasi in einem dramatischen Sinkflug befindet. Ihr ist die Werbe- und Schutzkampagne im Jahr 2019 gewidmet. Aus gutem Grund: Seit 1980, so Geidel, seien 50 Prozent des Bestandes verschwunden. Der Grund nach Ansicht der Expertin: „Der Vogel hält vielerorts vergeblich Ausschau nach Lebensraum.“
Das ist kein Wunder. Die Brachflächen in der Landwirtschaft haben sich, so das Statistische Bundesamt, seit 2008 mehr als halbiert. Damit fehlen der Feldlerche vor allem die Brutplätze. Nachwuchs bleibt also vielfach aus. Wissenschaftler des Julius-Kühn-Institutes untersuchen das Problem. Sie sehen darin inzwischen eine große Gefahr für die Artenvielfalt.
Christiane Geidel ist Landschaftsplanerin - und kennt so die Probleme der vögel
Landschaftsplanung ist ein Fachgebiet von Christiane Geidel seit ihrem Studium an der Fachhochschule Anhalt in Bernburg. Deshalb kann sie auch erklären, warum zehn Prozent der Äcker und Wiesen besser als ökologische Vorrangflächen ausgewiesen werden sollten. „Vögel wie die Feldlerche kommen mit aufgeräumten Landschaften nicht klar.“ Wenigstens trockene Kuppen, Grenzbereiche zu kleinen Gewässern sowie an Waldrändern und Hecken müssten gezielt ungenutzt bleiben. Das würde keinen Bauern ruinieren, wäre aber eine wichtige Überlebenshilfe.
Feldlerchen machen sehr abwechslungsreich auf sich aufmerksam. Ihr Ruf ist ein vibrierendes „trlie“ und der Gesang sind verschiedene aufgereihte trillernde Töne. Die Vogelschützerin, aufgewachsen in dörflicher Umgebung, erkennt die Stimme auf Anhieb. Als Abiturientin mit Lieblingsfach Biologie sucht und findet sie Standorte von Orchideen in ehemaligen Tagebaugebieten, so am Mondsee bei Hohenmölsen.
Dort haben, so erinnert sie sich gut, auch Feldlerchen ein Refugium gefunden. Allerdings nur abseits stark frequentierte Pfade. Da sei die Gefahr für sie am geringsten. Herrscht aber Unruhe im Revier, treibt beispielsweise ein Marderhund sein Unwesen, richten die Vögel ihre kurze stumpfe Federhaube auf. In einem permanenten Alarmzustand leben aber noch viele Vögel, so Christiane Geidel.
Christiane Geidel sagt: Immer mehr Vogelarten sind auf dem Rückzug
Deshalb sei es nicht einfach, nur ein bestimmtes Tier herauszugreifen Der Kreis ihrer gefiederten Freunde, die auf dem Rückzug sind, ist schon sehr groß. Wo anfangen? Geidel beginnt mit dem Rebhuhn, das inzwischen sogar zum Schutzobjekt der Jäger avanciert ist.
Der Grünspecht, auffällig wegen seiner bis zu 20 Silben umfassenden Tonreihe, sieht seine Lebensräume gleichfalls schwinden. Auch die Löffelente, der bereits jetzt der Klimawandel in Mitteleuropa zu schaffen macht, gehört zu den Kandidaten als besonders schützenswerter „Vogel des Jahres“. Besser denn je ergeht es ihrer Meinung nach hauptsächlich den Vögeln, die als „Kulturfolger“ im nahen Umfeld der Menschen ihre Nist- und Futterplätze etablieren können.
So haben die Turmfalken eine erfreuliche Entwicklung genommen, Tauben ohnehin. Beide gelten als gut angepasste Restverwerter der Hinterlassenschaften des menschlichen Konsums.
An Mensch nicht angepasste Vögel haben ein Problem
Aber was passiert mit den Unangepassten? Da fällt selbst ausgesprochenen Schwergewichten wie dem Uhu, der in Deutschland gut und gerne knapp drei Kilogramm auf die Waage bringt, das Überleben schwer. Vor allem um ihm zu helfen, ist Geidel in Bayern geblieben. Von Hilpoltstein aus, wo sie lebt und arbeitet, ist der Weg in die Fränkische Schweiz kurz. Dort habe die größte einheimische Eulenart noch ein weitgehend ungestörtes gutes Hause.
So nah es eben geht, versucht die Expertin dort das Leben der Uhus zu erforschen. Das gelingt nach ihren Erfahrungen schon aus einer Entfernung von 50 Metern. Aber unter günstigen Umständen ist auch ein Blick ins Nest erlaubt. Mit etwas Glück lassen sich dabei zwei Eier entdecken, aus denen später die Jungvögel schlüpfen.
Eulen brauchen weiter dringend Schutz
2.000 Brutpaare soll es ihren Angaben zufolge deutschlandweit wieder geben. Das sei ein leichter Aufwärtstrend. Dennoch benötigt der König der Vogelwelt weiter allen Schutz. Dafür, dass sie einige wenige Exemplare beobachten darf, verbringt Geidel zahllose Nächte mit Fernglas und Fototechnik unter freiem Himmel im Felsengeklüft. Dahinter steckt Faszination pur, erklärt sie. „Wer dem Uhu einmal ins Auge geschaut hat, vergisst das nicht“, so die Vogelkundlerin.
Einer der herausragenden Momente: Immer dann, wenn das Tier eine Stressphase erlebt, werde sein Blick starr und entwickle eine extrem durchdringende Kraft - eben königlich. Ihm entgeht nichts. Da kann sich eine Frau, die immerhin 1,70 Meter groß ist, tarnen wie sie will. Der Uhu merkt sich, glaubt sie, wer in seinem Revier unterwegs ist. Solche Eindrücke und Überlegungen, erklärt die Zeitzerin, enthielten für sie mehr Spannung als jeder Tatort-Krimi. „Auf Außenstehende muss das fast wie eine Liebeserklärung wirken“, sagt die Single-Frau mit einem verschmitzten Lächeln.
Ein Uhu ist eine imposante Erscheinung
An ihren Ruheplätzen verharrt der Uhu mit steil aufgerichteten Federohren und zu schmalen Schlitzen verengten Augen. Das ist Tarnung, um Ruhe zu haben. Denn andere Vögel, die ihn entdecken, geraten meist außer Rand und Band - bis hin zum Scheinangriff. Ein so in die Enge getriebener Uhu, erklärt Geidel, sträubt das Gefieder, knappt mit dem Schnabel und faucht. Er fächert dann auch seinen Schwanz auf, bildet mit den Flügeln ein großes Flügelrad auf und vergrößert damit optisch seine Körpergröße.
Als lautloser nächtlicher Jäger muss der Uhu kaum Hunger fürchten. Zu seiner Beute zählen in Mitteleuropa vor allem Igel, Ratten, Mäuse, Kaninchen, Feldhasen, Rabenvögel, Tauben und Enten. Er kann Beutetiere im Flug wegtragen. Dazu sollen gelegentlich sogar junge Frischlinge, Murmeltiere, kleine Füchse oder schwache Rehkitze gehören. Feinde, die ihm gefährlich werden können, kennt der Uhu nicht. Einzige Ausnahme, so Christiane Geidel: Der Mensch, der ihm seine Rückzugsräume streitig macht. Deshalb bleibe der Uhu für sie wohl immer ein „Vogel des Jahres“.
(mz)