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Weltpremiere in Zeitz Brandanschlag in Tröglitz: Neuer Dokumentarfilm gibt Tröglitzern eine Stimme

Von Torsten Gerbank 01.09.2017, 05:00
Nach der Brandnacht fanden in Tröglitz Friedensgebete statt. Dabei zog es Teilnehmer auch vor das Haus mit dem ausgebrannten Dachstuhl.
Nach der Brandnacht fanden in Tröglitz Friedensgebete statt. Dabei zog es Teilnehmer auch vor das Haus mit dem ausgebrannten Dachstuhl. Torsten Gerbank

Zeitz/Tröglitz - Durch das Dachgebälk pfeift der Wind. Balken sind verkohlt. Ein großer Teil der Ziegel fehlt. Das Bild geht um die Welt. Es ist das Bild des Tages, auf Englisch, The Picture of the Day.

Es ist der 4. April 2015. In der zurückliegenden Nacht ist in Tröglitz der Dachstuhl jenes Hauses in Flammen aufgegangen, in dem Flüchtlinge ein Obdach bekommen sollten. Zwar sind die Täter bis heute nicht gefasst: Fest steht aber, es war Brandstiftung.

Brandstiftung in Tröglitz: Filmemacherin hat  Menschen vor Ort hundert Tage lang begleitet

Die Ereignisse berühren Jo-Anne Velin, auch, weil sie weiß, was nun auf den Ort zukommt, welches Medieninteresse, welche Urteile und Vorurteile. Sie reist nach Tröglitz und andere Dörfer der Gemeinde Elsteraue, ist hundert Tage unter den Menschen dort und sie redet mit ihnen, gewinnt ihr Vertrauen.

Sie filmt sie, hört Geschichten. „Ich versuche immer, auf Augenhöhe mit den Menschen zu reden und ich höre gern zu“, sagt Jo-Anne Velin. Herausgekommen ist ein 90-minütiger Dokumentarfilm, „der anders ist“ als andere Dokumentationen, so die Filmemacherin.

Brandstiftung in Tröglitz: Streifen „The Picture of the Day“ feiert Welt-Kinopremiere in Zeitz

Zwar ist ihr Streifen „The Picture of the Day“ schon auf Filmfestivals gezeigt worden, seine Weltpremiere im „normalen Kinoalltag“ ist aber in der kommenden Woche in Zeitz zu erleben. Dazu wird am Donnerstag, 7. September, im Brühlkino der rote Teppich ausgerollt. Die Vorstellungen starten 18.30 und 21.30 Uhr.

Nicht nur die Filmemacherin ist dabei, eingeladen sind auch Menschen, die in dem Film zu sehen und zu hören sind. Es sind Menschen, fernab der Politik und auch nicht jene, die es vor die Fernsehkameras drängt. Sie habe eher so die schüchternen, zurückhaltenden, die aber privat sehr lebendig sind, gesucht und gefunden, so Velin.

Film nach Brandstiftung in Tröglitz: Regisseruin will, dass die Leute miteinander ins Gespräch kommen

Dass die Weltpremiere in Zeitz stattfindet, begründete Jo-Anne Velin so: „Ich wollte mit dem Film zuerst zu den Leuten und dorthin gehen, wo ich gedreht habe.“ Sie wolle Meinung, Kritik. Sie wolle, dass die Leute miteinander und mit ihr ins Gespräch kommen.

Ihr Ziel sei es nicht gewesen, auf die Suche nach den Tätern zu gehen. Sie wollte das Leben und die Menschen zeigen, die mit der Brandnacht urplötzlich im Mittelpunkt des Medieninteresses standen. „Ich bin interessiert an den Leuten, die hinter den Schlagzeilen stehen“, sagt die Künstlerin.

Film nach Brandstiftung in Tröglitz: Interviews und sphärische Klänge

Im Rahmen des Neisse Filmfestivals wird der Streifen so beschrieben: „... ein poetischer und bewegender Film, voller Sorge und Humor und einem kritischen Ohr an der schweigenden Mehrheit.“ Interviews en gros werden dem Zuschauer nicht serviert. Der Film lebe nicht zuletzt von der musikalischen Stimmung mit durchaus sphärischen Klängen. Das soll eine besondere Wirkung bringen. Denn: „Wir hören nicht nur mit den Ohren, sondern mit dem ganzen Körper“, sagt die Filmemacherin.

Allzu viel will die Frau, die aus Montreal stammt, mit einem deutschen Mann verheiratet ist und seit 25 Jahren in Europa lebt, aber nicht verraten. Vielmehr lädt sie dazu ein, sich den Film selbst im Kino anzuschauen. Und sie hoffe, dass es eine Reihe von Menschen gibt, die ihn sich zweimal anschauen.

Film nach Brandstiftung in Tröglitz: Die Doku soll auch Schulklassen gezeigt werden

Zeigen wolle sie, wie komplex, interessant und vielfältig ihre eigene Gesellschaft ist innerhalb der sogenannten schweigenden Mitte. Und was ist die schweigende Mitte? „Ich frage mich selber, ich lasse das offen“, so Velins Antwort.

Vorab der Premiere ist sie zum Beispiel in Schulen unterwegs gewesen. Denn fernab der sechs Abendaufführungen, die nach der Premiere jeweils 20.30 Uhr beginnen, kann es nach Absprache mit Kinochef Andreas Ronneberger Schulvorstellungen geben. Ziel ist es, innerhalb einer Woche mindestens 2.000 Menschen den Film zu zeigen. Nach Möglichkeit soll er in weiteren Kinos, nicht nur im Osten Deutschlands, vorübergehend ins Programm aufgenommen werden. Bei der Organisation hier in Zeitz wird Jo-Anne Velin von Hanna Keilholz unterstützt. Die junge Theißenerin ist sozusagen vorübergehend ihre persönliche Assistentin und „wandelnder Kalender“.

››Zum Trailer: vimeo.com/220623955

Kontakt: [email protected] (mz)

Jo-Anne Velin (M.) vor dem Kinovorhang im Gespräch mit Andreas Ronneberger und Hanna Keilholz.
Jo-Anne Velin (M.) vor dem Kinovorhang im Gespräch mit Andreas Ronneberger und Hanna Keilholz.
Torsten Gerbank