Autobahn Autobahn: Das Beweis-Video im Kofferraum
Weißenfels/MZ. - Frank Gerlach (36) schiebt die 180-Minuten-Videokassette in das Aufnahmegerät im Kofferraum des BMW der Verkehrsüberwachung der Autobahnpolizei. Die Bilder vom Band sind später wichtigstes Beweismittel vor Gericht. Wenn jemand Widerspruch einlegt, werden Kopien gezogen. Denn es geht nicht nur um einige Euro, sondern um hunderte, mehrere Punkte im Flensburger Verkehrsregister und mehrmonatigen Fahrerlaubnisentzug. Das Mess-System Provida macht's möglich. Es ermittelt unter anderem anhand der gefahrenen Strecke in einer bestimmten Zeit das Tempo.
Albrecht Zeller (51) setzt sich hinters Steuer und ist keine zehn Minuten Richtung Berlin unterwegs, dann zeigt er auf einen schwarzen VW Golf. Der junge Fahrer telefoniert ohne Freisprechanlage. Die Beamten setzen sich vor ihn, und Gerlach klappt eine elektronische Anzeigetafel hoch, auf der zu lesen ist: "Bitte folgen". Bettelbrett heißt sie im spaßigen Polizeijargon, doch es gibt kaum jemanden, der sich der Aufforderung verschließt. Als Frank Gerlach den jungen Mann auf einem Parkplatz an der Abfahrt Bad Dürrenberg auf sein Vergehen aufmerksam macht, steht sein älterer Kollege auf der Beifahrerseite. "Zur Sicherung, denn schon oft griff jemand plötzlich zur Waffe." Ihm sei das zwar noch nicht passiert, doch wenn ihm einer nicht geheuer vorkomme, habe er schon mal die Hand an der Pistolentasche. Einige Minuten vergehen, ehe die Männer die neue Tatbestandsnummer finden. Denn erst seit April kostet Telefonieren am Steuer 40 Euro und bringt einen Punkt in Flensburg ein.
Ab Leipzig-West fährt Albrecht Zeller in der Gegenrichtung. Beide Männer kamen schon vor der Wende zur Polizei. Zeller 1976. "Als Kraftfahrer beim Kranbauer Zemag habe ich mich schon immer für Technik interessiert." Vier Jahre später ist er an der Autobahn. Frank Gerlach, der gelernte Schlosser im Hydrierwerk Zeitz, hatte sich für ein Studium bei der Polizei entschieden. Dann kam die Wende, und er landete bei der Tansport-, später bei der Bereitschaftspolizei und 1995 in Weißenfels an der A 9. Mit Leib und Seele sind sie dabei.
Doch heute müsse, wer rausfährt, manche Begleiterscheinungen verdrängen können, meinen sie. Denn gespart werden muss auch bei der Polizei. Und auf Nachfrage, was das konkret sei, sprechen die Männer von Benzin, Nachtschichtzuschlägen, Urlaubs- und Weihnachtsgeld. 92,5 Prozent verdiene man im Vergleich zu den Westkollegen. Dabei sei die Arbeit hier nicht leichter, und Zeller verweist auf seinen Herzinfarkt 1999, setzt freilich hinzu, dass der wohl erblich mit bedingt war. Doch andererseits gebe es unregelmäßige Dienste und Essen, wenn es die Zeit erlaube. "Da habe ich zugegriffen, als ich mit 50 Altersteilzeit angeboten bekam. Selbst wenn man dann nochmals rund 400 Euro einbüßt." Daran mag sein Kollege noch gar nicht denken und setzt hinzu, dass die Polizei andererseits einen relativ krisensicheren Job bietet.
Dass da im Dienst nicht das allerletzte Risiko gegangen wird, hat damit wohl nur bedingt zu tun. 230 Kilometer in der Stunde schafft der BMW, und dennoch sind manche schneller. Deshalb sagt Albrecht Zeller: "Die kriegen wir eben das nächste Mal." Und er setzt im Bewusstsein des Doppelsinns hinzu: "Man muss auch mal einen fahren lassen können." Spitzenwerte waren für sie mal ein Pkw, den sie im 100er Bereich mit 180 gemessen hatten, oder ein Motorrad mit 210. Neben der eigenen Sicherheit, wegen der es jährlich ein Fahrtraining gibt, steht vornan, dass niemand gefährdet werden darf.
Den beiden Beamten entgeht auf der Fahrt nicht mal ein Pkw mit Hänger, der nur 80 fahren darf. Gerlach löst Provida aus. 98 Kilometer in der Stunde werden gemessen, macht minus einer Toleranz von fünf immerhin 13 km / h zuviel. Doch Frank Gerlach winkt ab. Das Fahrzeug sei wegen ganz anderer Verstöße im Einsatz. "An manchen Tagen passiert eben gar nichts. Doch oft merken wir, dass es vorteilhaft ist, nicht in einem grünweißen Auto zu sitzen."