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Artgerechte Tierhaltung Artgerechte Tierhaltung: Kälbchen nuckeln am Kunst-Euter

Von Anka Stolper-Heinike 30.12.2003, 19:31

Teuchern/MZ. - Es ist ein kalter und ungemütlicher Dezembermorgen. Schneeflocken wirbeln durch die Luft und vergehen in großen Matsch-Pfützen. Zielstrebig steuert Arnd Helm, Geschäftsführer der Landwirtschafts GmbH Osterland Teuchern, mit seinem Wagen die Rinder- und Schweinemast-Anlage "Lange Wiese" an. Dort steigt er aus und klappt den Kragen seiner Arbeitsjacke hoch. "Kommen sie mit", fordert er freundlich auf und stapft mit seinen Gummistiefeln in Richtung Jungviehstall.

Mit großen Augen, genüsslich kauend und ein wenig furchtsam blicken die Tiere der Ammen- und Mutterkuh-Herde zu den Menschen herüber. Noch bis vor kurzem weideten sie auf den nahe liegenden Streuobstwiesen zwischen Lagnitz und Teuchern. Und obwohl es draußen kalt ist, bleiben die meisten Tiere im Freien und gehen nicht in den schützenden Stall. Masthybrid-Kreuzungen der Rassen Fleckvieh und Charolli seien sehr widerstandsfähig, erklärt Arnd Helm. Und dann schwärmt der erfahrene Landwirt von der guten Fleischqualität, die diese Rinder auszeichnet und ebenfalls für die Zucht empfiehlt.

Untergebracht sind die hellbraunen und schwarz-weiß gefleckten Rinder in einem so genannten Kaltstall. 120 Tiere zu je vier Gruppen würden da hineinpassen. Jetzt sind es gerade mal 60 zu je 30 Tieren. Es gibt genügend Platz für alle, weiches Stroh unter den Hufen und immer frisches Wasser aus den unterirdisch verlaufenden isolierten Leitungen mit Temperaturwächter. Wird es zu kalt, sorgt eine Heizung automatisch dafür, dass das Wasser nicht gefrieren kann. Moderne Tränken mit einem Schwimmersystem gibt es auch. Ein sanfter Druck mit dem Maul reicht, und schon fließt für das Rind genauso viel Nass, wie es benötigt. Also artgerechte Verhältnisse für die ein bis zwei Jahre alten Jungrinder.

Noch vor einem halben Jahr sah es hier anders aus. Im ehemaligen, in den 60er Jahren gebauten Offenstall waren die Tiere in Anbindehaltung untergebracht. Es gab nur wenig Raum und kaum Rückzugsmöglichkeiten. Osterland-Mitarbeiter bauten das Gebäude im letzten Vierteljahr um, schufen große Ausläufe und geräumige Liegebuchten. "Frische Luft und Bewegung sind wichtig für eine gute Entwicklung der Tiere", erklärt Arnd Helm, und streicht einem der jungen Rinder sanft über den Hals. Mit 14 bis 18 Monaten gehen sie den üblichen Weg eines Nutztieres. Sie werden in Jena geschlachtet und im eigenen Runthaler Betrieb zu Fleisch- und Wurstwaren verarbeitet. Die weiblichen Tiere dagegen dürfen länger leben. Sie werden für die Zucht benötigt.

Trotzdem oder gerade deshalb wolle man den Rindern eine artgerechte Haltung bieten, so Arnd Helm. Dies sei die Geschäftsphilosophie im Unternehmen. Die reicht soweit, dass die Verwaltungsbaracke der Osterland GmbH nicht eben dem neuesten Standard entspricht. Dafür die meisten der Ställe. Schon vor fünf Jahren haben die Teucherner Bauern den Stall für 345 Milchkühe umgebaut, es folgte die Unterkunft für 250 Kälber. Ein Blick in die "Kinderstube" des Landwirtschaftsunternehmens dokumentiert auch hier die Achtung vor dem Tier und Fortschritt. Die Kälbchen kommen nach acht bis 14 Tagen von ihrer Mutter hierher. An einem Automaten bekommen sie so genannten Milch-Austauscher. Der Computer erkennt dank der Responder im Halsband, welches Kalb gerade am künstlichen Euter nuckelt und wie viel Nahrung es braucht. Vier- bis sechsmal täglich gibt es für die Kleinen kräftigenden Milchersatz. Nach 77 Tagen werden sie im Jungviehstall untergebracht.

Die Frage nach den Kosten für all die Neuerungen beantwortet Arnd Helm nur ungern. "Wir tätigen Investitionen je nach wirtschaftlicher Lage unseres Betriebes", antwortet er diplomatisch. Und dann verrät er, dass es im Vorjahr wegen der schlechten Ernte keine größeren Umbauten gab. Und dass man die vorhandenen Bauhüllen so nutze, dass es nicht zu teuer aber trotzdem gut wird. Für nächstes Jahr strebt der Betrieb ein weiteres größeres Modernisierungsvorhaben an. Nein, es wird wieder nicht die Büros betreffen, sondern die Milchviehställe in Stößen.