Zwei Wahlgänge für den neu eingeführten Ortsvorsteher
RADIS/MZ. - Schubert selbst hatte wohl gar nicht mit seiner Wahl gerechnet, er war nicht nach Radis gekommen, wo sich der Stadtrat getroffen hatte.
Mit der Wahl eines Ortsvorstehers hat nun auch eine für Außenstehende seltsame Situation ihr Ende gefunden. Rainer Schubert wäre, so weit bekannt, nach dem derzeitigen Stand der Gemeindereform der einzige Bürgermeister in Sachsen-Anhalt gewesen, für den es keine Fortsetzung seiner ehrenamtlichen kommunalen Tätigkeit gegeben hätte (schließlich war er von den Bürgern für sieben Jahre gewählt worden). Damit ist auch die frühere Debatte im Stadtrat, ob man derzeit einen Ortsvorsteher oder Ortschaftsrat für Kemberg brauche, entschieden. Denn noch im Dezember hatten die Stadträte mehrheitlich die Einführung des Ortschaftsrechts für die Ortsteile Kemberg und Gaditz abgelehnt.
Schon damals stand eine entsprechende Änderung der Kemberger Hauptsatzung auf der Tagesordnung, doch konnte man sich weder so recht zwischen Ortsvorsteher oder Ortschaftsrat entscheiden, noch sah man es als zwingend notwendig an, diese Entscheidung zu dem Zeitpunkt unbedingt treffen zu müssen. Die beiden Ortsteile seien im Kemberger Stadtrat ausreichend vertreten, hieß es damals. Hinter den Kulissen wurde jedoch offenbar befürchtet, ein Ortsvorsteher würde zu viel Macht in einer Person vereinen.
Andererseits zeigte sich bald der Haken der Sache, etwa bei den regelmäßigen Treffen der Ortsbürgermeister. Während alle anderen Ortsbürgermeister hier ihre Probleme mit dem hauptamtlichen Bürgermeister Torsten Seelig (CDU) besprechen konnten, waren Kemberg und Gaditz nicht vertreten. Doch bereits im Februar diesen Jahres stand im Stadtrat wieder die Hauptsatzung auf der Tagesordnung - mit Ortschaftsrecht, eingebracht von den Linken.
Deren Fraktionsvorsitzender Reinhard Fümel schlug am Donnerstag Rainer Schubert als Ortsvorsteher vor. Als früherer langjähriger Bürgermeister sei er in die Problematik hineingewachsen. "Ich denke, er bringt die besten Voraussetzungen mit. Und was er bisher an ehrenamtlicher Arbeit geleistet hat, ist aller Ehren wert", begründete Fümel seinen Vorschlag. Von René Wippich (FDP) wurde Stadtratsmitglied André Neumann (FDP) als Kandidat aufgestellt. Er engagiere sich für die Stadt, sei jung und dynamisch, meinte er. "Die CDU schlägt Siegmar Thiele vor", brachte Ratsmitglied Ulrich Pranger (CDU) einen weiteren Anwärter ein. Als Mitglied des Stadtrates sei dieser ebenfalls mit den Aufgaben und Problemen der Stadt vertraut.
Im ersten Durchgang der geheimen Wahl kam keiner der Kandidaten auf die Mehrheit von allen abgegebenen Stimmen. Von den 15 anwesenden Räten votierten sieben für Schubert, fünf für Thiele und drei für Neumann. So musste ein zweiter Wahlgang durchgeführt werden, hier reichte es aus, die meisten Stimmen zu bekommen. Das Ergebnis war dasselbe wie im ersten Wahlgang.
"Ich freue mich über die Wahl", kommentierte Rainer Schubert am Freitag gegenüber der MZ das Ergebnis. "Und ich werde das beste für die Stadt tun." In der Stadtratssitzung Anfang Mai wird Schubert vereidigt werden.
Der Ortsvorsteher für Kemberg und Gaditz wird sein Amt bis zum Ende der Legislaturperiode ausüben. Dann, so der Vorsitzende des Stadtrates Frieder Jage (SPD-Liste), werde ein Ortschaftsrat gewählt.