Wörlitz Wörlitz: Die Erde bebt

WÖRLITZ/MZ. - "Man hat uns gesagt, dass heute Abend hier ein Vulkan ausbricht. Das wollten wir uns anschauen", erklärt Waltraud Pawlik. Die Dame ist mit ihrem Mann auf dem Rückweg vom Urlaub an der Ostsee ins heimische Leonberg bei Stuttgart in Wörlitz zur Rast eingekehrt - und wurde prompt vom Trubel rund um das zehnjährige Bestehen des Parks als Unesco-Welterbe überrascht. "Hier ist es ja traumhaft schön", schwärmt die Schwäbin. Ähnlich wie Pawliks hatten sich am Wochenende Tausende aufgemacht, um im Wörlitzer Landschaftsgarten zu flanieren.
Vor acht Jahren, nach der Jahrhundertflut, sah das noch ganz anders aus. Die Behebung der Schäden dauerte bis vor Kurzem an. "Wir haben 720 Millionen Euro an Fluthilfemitteln benötigt. Und für die Bauarbeiten war der Unesco-Titel sicher hilfreich", erklärt Dr. Steffen Kaudelka von der Kulturstiftung Dessau-Wörlitz. Seine Organisation mit bis zu 200 Mitarbeitern hat sich der Erhaltung der verschiedenen Landschafts- und Baudenkmäler im Gartenreich verschrieben. "Dabei bleiben wir in der Tradition des Fürsten Franz und erhalten die Anlage mit Bildungsanspruch kostenlos für jeden Bürger", so Kaudelka. Übrigens auch für künftige Generationen: "Wir bieten zum Beispiel ein freiwilliges soziales Jahr oder Praktikumsplätze." Möglichkeiten zur Betätigung auf dem 142 Quadratkilometer großen Areal gibt es genug - nicht nur für die Restauratoren, sondern auch für Landschaftsgärtner, wissenschaftliche Mitarbeiter, Forstingenieure und Historiker. Die werkeln aber großteils hinter den Kulissen. Vor selbigen wurde den Gästen des Erbe-Geburtstags am Samstag ein abwechslungsreiches Programm mit literarischen Spaziergängen, Kremserfahrten und Schlossführungen geboten. Auch aufs Belvedere, das Dach des Wörlitzer Schlosses, konnte man unter fachkundiger Anleitung gelangen. Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) lobte in seiner Rede beim morgendlichen Festakt die Arbeit der Stiftung - und blieb noch bis zur Hebung der Schnapskisten: Im Souterrain waren vor zehn Jahren ebenso viele Flaschen hiesigen Obstlers versenkt worden, die nach der Verkostung versteigert wurden.
Der eigentliche Höhepunkt des Tages aber begann um 21 Uhr. Am Ostende der Parklandschaft hatten riesige Lautsprecher schon den ganzen Tag über die Erde in und um Wörlitz erzittern lassen. Rauch stieg aus dem Kegel des Vesuvs - alles Teil der Vorbereitungen von Prof. Wolfgang Spyra von der Brandenburgischen Technischen Universität in Cottbus, der als Pyrotechniker mit seinen Studenten den Ausbruch leitete. "Die Natur hat ihre eigenen Gesetze, aber wir gehen von einem zwanzigminütigen Ausbruch aus", erklärte der Wissenschaftler für Altlastenberäumung lachend. Tausende Gäste säumten das Südufer des Parksees, um sich das Treiben in der Dämmerung anzuschauen. Eine seltene Gelegenheit im Übrigen - seit 2006 war der Feuerberg nicht mehr angezündet worden. Und nicht nur Besucher aus der näheren Umgebung waren vor Ort. Margo Fincham aus Südafrika und Maximilian Peters aus Kanada standen zusammen mit Hunderten auf dem Acker südlich der Insel Stein. Und während dem jungen Au-Pair-Mädchen in Dessau vor allem die Gelegenheit zum Picknick gefällt, sind für den Kanadier die Altertümer interessant. "Kanada ist ein junges Land, und hier gibt es so viel Historie", erklärt er. Der zwanzigminütige Ausbruch des Vulkans, fachgerecht von den Feuerwehren aus Griesen, Horstdorf und Wörlitz abgesperrt, war für einige Gäste Höhepunkt der Aufführung von "Venus und Adonis" im Amphitheater auf der Insel. Kurz nach "Evakuierung" der Insel konnten die das vulkanische Schauspiel zur blauen Stunde von der Gondel aus bewundern - und bedankten sich zusammen mit den tausenden anderen Gästen am Ufer mit lautstarkem Applaus für das "Naturschauspiel".