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«Wollen in der ersten Liga spielen»

Von Marcel Duclaud 01.03.2006, 15:59

Cobbelsdorf/MZ. - Es ist ein kleines Zentrum im Norden von Wittenberg, in einer historischen Grenzregion, die nach wie vor ihre Wirkungen entfaltet, wie Horst Saage, Vorstandsvorsitzender der Cobbelsdorfer Agrargenossenschaft betont: "Senst ist das letzte Dorf in Anhalt, Straach das erste im kursächsischen Wittenberg, mit Groß Marzehns beginnt das preußische Brandenburg."

Die sich erheblich ausdehnende Agrargenossenschaft - zu ihr gehören Köselitz, Senst, Wörpen, Möllensdorf, Griebo, Pülzig und Wahlsdorf - machte erst jüngst von sich reden: Durch eine nicht eben kleine, zwei Millionen Euro teure Investition. Gebaut wird ein neuer Kuhstall. Saage, ein ehrgeiziger Chef, der schon entsprechende Anrufe erhielt, betont: "Wir machen das nicht, weil wir zu viel Geld haben, sondern weil wir in der ersten Liga spielen wollen. Wer nichts tut, wird absteigen. Wir erhalten damit Arbeitsplätze, und das ist schließlich nicht unwichtig."

Die Agrargenossenschaft ist einer der beiden großen Arbeitgeber im Dorf. Sie beschäftigt rund 50 Leute, zudem 6 Auszubildende. Bewirtschaftet werden 2500 Hektar Land, in den Ställen finden sich 500 Milchkühe und 1500 Zuchtsauen. Das zweite große Unternehmen mit über 100 Beschäftigten ist die HS-Schoch GmbH, ein Zulieferer für den Fahrzeugbau, produziert werden etwa Paletten-Staukästen für LKW. Mit nachwachsenden Rohstoffen beschäftigen sich zwei andere Firmen, die Cobbelsdorfer Naturstoff GmbH, die Lärmdämmstoffe herstellt und die Trennwandsysteme GmbH, die Baumaterial produziert. Keine ganz kleinen Arbeitgeber sind überdies ein Tiefbau-Unternehmen und die Freizeit- und Touristik GmbH, ein Essenservice, betrieben werden zudem Gaststätte und Kulturhaus. Selbstredend gibt es noch etliche Handwerker, ein Taxi-Unternehmen überdies. Im zu Cobbelsdorf gehörenden 87 Einwohner zählenden Ortsteil Pülzig existieren ein Sanitärbetrieb, eine Holzbau GmbH, eine Fahrschule, eine Ausflugsgaststätte.

Nicht zu vergessen die ganze Infrastruktur. Cobbelsdorf mit seinen gerade mal 611 Einwohnern bietet Dienstleistungen aller Art - Arzt und Zahnarzt, Volksbank- und Sparkassen-Filiale, Lebensmittelladen, Fleischer, Friseur. Und natürlich einen Kindergarten, eine Grundschule samt Turnhalle - "und bisher", formuliert vorsichtig André Saage, stellvertretender Bürgermeister, 36 Jahre alt und Sohn des Chefs der Agrargenossenschaft, "haben wir uns ein nach der Wende modernisiertes Schwimmbad geleistet."

Das Vereinsleben lobt der stellvertretende Bürgermeister ebenfalls - aktiv sind Sportverein und Landfrauen, es gibt eine lange Fastnachtstradition und die Freiwillige Feuerwehr zählt wie anderswo auch zu den Stützen des gesellschaftlichen Lebens. Außerdem haben die Kameraden alle Hände voll zu tun - sie betreuen nämlich einen Autobahnabschnitt. Über 80 Prozent aller Einsätze resultieren aus diesem Bereich.

Nicht übersehen wird, wer nach Cobbelsdorf kommt, das riesige aus den 70er Jahren stammende Wandbild am Kulturhaus. Es entstand in Zeiten, da Kunst noch mit Propaganda und der Abbildung des Lebens der Werktätigen in der DDR beschäftigt war. Ob man es schön findet oder nicht, es ist eine Attraktion und bleibt Durchreisenden in Erinnerung. Dass es noch existiert, ist laut Horst Saage nicht zuletzt "unserer Sturheit" zu verdanken. Denn es gab nach der Wende sehr wohl Bestrebungen, die Wand zu übertünchen: "Jetzt sind wir froh, dass es noch da ist. Wir müssen uns zu unserer Geschichte bekennen. Und ich will meinen Enkeln schließlich zeigen, was es mit der sozialistischen Landwirtschaft einst auf sich hatte."

In Cobbelsdorf regen sich auch leise touristische Pläne. Eine Karte, die Wanderwege ausweist, existiert am Ortsrand bereits. André Saage: "Das steckt noch in den Kinderschuhen. Die Wege müssen ausgeschildert und in Ordnung gebracht werden." Aber Ziel ist es, vom großen Berliner Kuchen etwas abzubekommen. "Die letzte Abfahrt, die viele Berliner kennen, ist Rabenstein. Bis Köselitz kommen sie oft gar nicht mehr. Das wollen wir ändern."

Der neue Kuhstall übrigens soll im Juni eingeweiht werden - mit Tag der offenen Tür und Blasmusik. Eingebettet in eine Festwoche, die gegenwärtig vorbereitet wird. Zu feiern gibt es gleich zwei Jubiläen: 50 Jahre Kindergarten und 650 Jahre Cobbelsdorf. Im Jahre 1356 wurde der Ort am Rande des Flämings erstmals urkundlich erwähnt.