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Deutsch-russländische Gesellschaft Wittenberger reisen nach Mogiljow in Belarus

Vorständler des Vereins reisen zum Stadtfest in Wittenbergs jüngste Partnerstadt. Warum es keine Vergnügungsreise war.

Von Irina Steinmann 15.07.2021, 08:31
Als Abgesandte aus der Partnerstadt reisten Heinz Wehmeier und Monika Pusch nach Mogiljow.
Als Abgesandte aus der Partnerstadt reisten Heinz Wehmeier und Monika Pusch nach Mogiljow. Foto: DRG

Wittenberg - Es ist zur Zeit keine Selbstverständlichkeit, nach Belarus zu reisen. Das hat mit der staatlichen Flugzeugentführung vom Mai zu tun und nach wie vor mit unser aller Pandemie, die sich wenig um Grenzen schert. Das Auswärtige Amt warnt unverändert vor nicht notwendigen Reisen ins Reich des Lukaschenko. D

er unermüdliche Heinz Wehmeier aber hat es wieder getan: Gemeinsam mit seiner Vorstandskollegin Monika Pusch war der Projektleiter der Deutsch-Russländischen Gesellschaft kürzlich in Wittenbergs jüngster Partnerstadt, Mogiljow. Man besuchte dort das Stadtfest, unter anderem.

Im Pkw gen Osten

Freilich war es eine Reise mit Hindernissen und um ein Haar hätte sie aus genannten Gründen gar nicht stattgefunden. Nach wiederholten Stornierungen der geplanten Flüge sei es ein Privatmann gewesen, der quasi „von heute auf morgen“ die Tour der beiden Wittenberger gerettet hat: Im Pkw eines eigens angereisten Weißrussen ging es über 24 Stunden hinweg gen Osten.

„Normal“, sagt Wehmeier sportlich, auch in Polen und Belarus gebe es heutzutage ja ordentliche Straßen. Die offizielle Einladung ersparte den beiden Wittenbergern die sonst obligatorische Quarantäne - ohne doppelte Impfung, sagt Wehmeier, wäre er aber selbst nicht hingefahren. Und das bedeutet eine ganze Menge für jemanden, der sich unablässig bemüht, den Faden zu den Menschen in Belarus und auch in Russland nicht abreißen zu lassen.

Zwischen dem 28. Juni und dem 5. Juli besuchten die beiden Vertreter der Deutsch-Russländischen Gesellschaft nicht nur das Mogiljower Stadtfest, das laut Wehmeier ein „abgespecktes“ war - auch der sonst übliche Wittenberg-Pavillon mit Kartoffelsuppe wurde dem Vernehmen nach von den Einheimischen vermisst - aber anders als das Wittenberger eben stattfand.

Viel Platz für Begegnungen mit Menschen, die man lange nicht gesehen hatte, auch wenn man Wehmeiers Schilderung, dass er auf dem Boulevard so viele Bekannte getroffen hätte wie sonst nur auf der Collegienstraße, vielleicht nicht ganz streng wörtlich nehmen muss.

Vor Ort und auf Video

Wörtlich nehmen muss man sein Bemühen, unterhalb der offiziellen Ebene - „Wir machen keine zweite Außenpolitik“ - Dialog und Austausch zwischen den Bürgern hüben und drüben zu fördern. Schwierig genug in Corona-Zeiten. Tatsächlich waren die Wittenberger Wehmeier zufolge beim Stadtfest die einzigen Vertreter von Mogiljows Partnerstädten aus dem Westen im engeren Sinne.

21 Städte, darunter nicht wenige aus der ehemaligen Sowjetunion, seien der weißrussischen Großstadt auf diese Weise verbunden, so Wehmeier, jüngster Neuzugang das türkische Busa. Wie üblicherweise auch die Lutherstadt lädt Mogiljow seine Verbandelten gern zum Mitfeiern ein - und so waren jene, die nicht anreisen konnten, dann aber doch per Video-Schalte dabei, als die Deutsch-Russländische Gesellschaft in Person von Heinz Wehmeier und Monika Pusch und im Auftrag der Lutherstadt „die herzlichsten Grüße und Wünsche zum Wohlergehen der Stadt und Bewohner“ überbrachte.

Ohne Maske, mit Anstecker. Wehmeier und Bürgermeister Wladimir Zumarev
Ohne Maske, mit Anstecker. Wehmeier und Bürgermeister Wladimir Zumarev
(Foto: DRG)

Fotos zeugen von der Begegnung im Rathaus mit Torsten Zugehörs Amtskollegen Wladimir Zumarev, man trägt Abzeichen.

Ohnehin war es keine Spaßtour, die die Deutsch-Russländische Gesellschaft da unternommen hat in Zeiten von Corona und Sanktionen. Neben der Pflege der Kontakte zu den kulturellen Einrichtungen, mit denen Wittenberg seit nunmehr Jahrzehnten ein intensiver Jugendaustausch verbinden - normalerweise, wie man hinzufügen muss - stand auch die schwierige Weltkriegsvergangenheit beider Völker auf dem Reiseplan.

Wehmeier und Pusch besuchten Gedenkstätten für Kriegsopfer und auch einen deutschen Soldatenfriedhof. Zudem ist die Deutsch-Russländische Gesellschaft maßgeblich beteiligt am Zustandekommen einer Ausstellung, die im September in der Hauptstadt Minsk, wo Wehmeier diesmal auch mit dem deutschen Botschafter zusammenkam, gezeigt werden soll: Im dortigen Weltkriegsmuseum werden Aquarelle von Walter Wichmann ausgestellt.

Der Wehrmachtssoldat und Künstler, geboren 1916 in Berlin, gestorben 1970 in seiner späten Wahlheimat München, verarbeitete seine Kriegserlebnisse in Mogiljow und weiteren Städten. Wehmeier hofft, wie er sagte, aus diesem Anlass im September erneut nach Belarus reisen zu können, mit offizieller Einladung.

Nicht vor Sommer 2022

Was die Wiederaufnahme der größeren Begegnungen zwischen Wittenberg und Mogiljow angeht, zeigt sich Wehmeier als Realist: Veranstaltungen wie die Treffen von jungen Musikern und Malern, aber auch die beliebten Konzerte wie die des russischen Männerchors des Hl. Wladimir und touristische Reisen in den Osten würden wohl erst im zweiten Halbjahr 2022 wieder möglich werden.

Keine Rolle spielen in Wehmeiers Reiseschilderungen die Proteste in Belarus. Um die ist es zuletzt stiller geworden in den westlichen Medien. Beim Stadtfest habe er nichts davon gespürt, sagt er. „Wir alle hoffen, dass es friedlich bleibt.“ Man wolle sich „nicht einmischen“. Keine zweite Außenpolitik. Nur soviel: Dass Flüge nicht stattfinden, sei „kontraproduktiv“, kritisiert er die EU. (mz)