Wittenberg Wittenberg: Schmerzfreie Einsichten in den klinischen Alltag
WITTENBERG/MZ. - Erwachsene sind etwas zögerlicher beim Betreten des überdimensionalen Organs. Doch die Mutigen werden belohnt mit 20 Metern anschaulicher Informationen über einen Teil des menschlichen Körpers, der eine zentrale Rolle bei der Immunabwehr übernimmt - wenn er denn fit ist. Was bei Erkrankungen getan werden kann und muss, welche Therapien existieren und welche Heilungschancen bestehen, auch darüber informiert das Modell en passant.
Von A wie Apotheke bis U wie Urologie reicht das vielfältige Angebot, vom Keller bis zur Kinderstation im vierten Stock sind viele Pforten weit geöffnet. Manche Einblicke offenbaren Überraschendes. Mit dem "Grusel-Image", das die Pathologie nicht zuletzt durch mediale Vorbilder in Film und Fernsehen hat, kann Sabine Hippe "gut leben". Eher amüsiert räumt sie zusammen mit ihrem Kollegen Dr. Ulf Krause mit gängigen Klischees auf. Mit Leichen habe er selten zutun, unterstreicht der Oberarzt, "meine letzte Obduktion liegt etwa drei Jahre zurück." Statt dessen sitzen die Pathologen hauptsächlich am Mikroskop, "um Gewebeproben von lebenden Menschen" unter die Lupe zu nehmen.
Vielfach ist ihr Wissen um das vitale Objekt gefragt und oft muss das Ergebnis in kürzester Zeit vorliegen. Etwa wenn einem Patienten im Operationssaal eine Gewebeprobe entnommen wird und das weitere Vorgehen der Chirurgen von der Expertise der Pathologen abhängt. "Schnellschnittdiagnostik" nennt sich das Verfahren und länger als 20 Minuten sollte es keineswegs dauern, so Krause. Im Rahmen der Molekularpathologie überprüfen Spezialisten zudem Gewebeproben eingehend, um eine Entscheidung über die passende Therapie herauszufiltern, und, ja, ab und an wird auch eine Obduktion durchgeführt. Zum Teil auf klinischen Wunsch, denn letztlich sei die Untersuchung bei unklarer Todesursache "eine qualitätssichernde Maßnahme" so Hippe. Teilweise forderten auch Versicherungen Gutachten an, etwa um zu klären, ob eine Berufserkrankung vorlag. Aber die Gewichtung ist eindeutig. Auf etwa 40 000 lebende Patienten, deren Proben das Institut jährlich untersucht, kommen vielleicht 100 Obduktionen. Und mit Kriminalfällen habe man gar nichts zu tun, so die Pathologen, "dafür ist die Rechtsmedizin zuständig".
Die klinikeigene Apotheke hat zum Tag der offenen Tür eigens etwas für Besucher gemischt und angerührt. Kleine Proben einer Handemulsion stehen ebenso bereit wie Päckchen mit Kräutertee zur Stärkung der Abwehrkräfte. Die stellvertretende Leiterin Richarda Kirsten erläutert, was sonst noch hergestellt wird im eigenen Labor. Neben speziellen Arzneien für Neugeborene in geeigneter Dosierung kümmern sich die Mitarbeiter vor allem um Produktion von Zytostatika: Krebsmedikamente, die, individuell auf den jeweiligen Patienten abgestimmt, zusammengestellt werden. Das Schmerzmittel, das dem blauen Lieblingsteddy von Judith beim Puppendoktor verabreicht wird, stammt indes nicht aus der hauseigenen Apotheke: Es ist eher süßer Natur und als Belohnung dafür gedacht, dass der Patient bei der Operation so tapfer war. Mit Nadel und Faden hatte Kinderärztin Yvonne Kuhn den "gebrochenen Hals" des Teddys geheilt und das Loch im flauschigen Fell geschlossen. Die fünfjährige Mutter strahlt nach dem gelungenen Eingriff und ist hochzufrieden.