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Haushaltsberatungen Wittenberg plant mit Sieben-Millionen-Defizit für das kommende Jahr

Gremien beraten über den Doppelhaushalt 2023/2024. Mehr denn je ist der Etat von Wittenberg eine Momentaufnahme.

Von Irina Steinmann 13.09.2022, 10:39
In Wittenberg, hier  das Neue Rathaus, laufen die Haushaltsberatungen.
In Wittenberg, hier das Neue Rathaus, laufen die Haushaltsberatungen. Foto: Thomas Klitzsch

Wittenberg/MZ - Mit einem geplanten Defizit in Höhe von rund 7,6 Millionen Euro für 2023 und 6,4 Millionen 2024 geht die Stadt Wittenberg in dieser Woche in die vorsorgliche Vorberatung ihres Doppelhaushaltes mit der Kommunalaufsicht des Landkreises. Üblicherweise haben Haushalte ausgeglichen zu sein, sie dürfen also kein Defizit aufweisen. In den zurückliegenden Jahren hat das die Lutherstadt Wittenberg - wie nahezu alle Kommunen im Landkreis - allerdings nie geschafft und die Genehmigungsverfügung des Landkreises immer nur um Haaresbreite am Ende doch bekommen. Wie die Angelegenheit diesmal ausgeht, ist offen.

Fest steht laut Jana Beyer, Fachbereichsleiterin für Finanzen und Controlling, dass im gesamten Konsolidierungszeitraum bis 2032 kein dauerhafter Ausgleich erzielt werden kann. Im Gegenteil werde die Neuverschuldung bis 2029 ansteigen.

An die 100 Millionen verplant

Der Doppelhaushalt 2023/2024 verzeichnet im jährlichen Ergebnisplan, also der Gegenüberstellung von Einnahmen und Ausgaben der Verwaltung, fast 100 Millionen Euro. 2023 etwa stehen geplanten Erträgen in Höhe von gut 91 Millionen Euro knapp 99 Millionen an Ausgaben gegenüber. Mit mehr 8,7 Millionen Euro ist der Kreditbedarf für Investitionen im nächsten Jahr „so hoch wie nie“, wie Beyer in der vergangenen Woche in den Fachausschüssen des Stadtrats berichtete, die sich jeweils in erster Lesung mit dem Etat befassten.

Grundlage der Haushalts-Erstellung war die Steuerschätzung vom Mai 2022, Redaktionsschluss hierfür Ende Juni, wobei angesichts der krisenhaften Zeit für die Haushaltsplanung diesmal erst recht gilt, dass es sich bei dem Zahlenwerk um eine Momentaufnahme handelt. So hat die zwischenzeitliche Erhöhung der Kreisumlage von 48 auf 49 Millionen Euro - für alle Kommunen im Landkreis insgesamt - bereits zu einer Vergrößerung des geplanten Defizits im Wittenberger Haushalt geführt. Als eine Besonderheit des Doppelhaushalts 2023/ 2024 führte Beyer darüber hinaus an, dass man erstmals zusätzliche Unterhaltungsaufwendungen berücksichtigt habe. Auch dies aber würde nicht ausreichen, um sämtliche Missstände zu beseitigen.

Entsprechendes gilt für das Haushaltskonsolidierungskonzept, das Wittenberg als klamme Kommune jährlich mit dem Etat vorlegen muss: „Auch bei Umsetzung aller Konsolidierungsmaßnahmen“, so Beyer, wäre ein Haushaltsausgleich nicht zu erreichen. Neue Maßnahmen sind gegenüber dem vorangegangenen Doppelhaushalt 2021/2022 nicht hinzugekommen. Mit der begonnenen Debatte über den Gästebeitrag und über die Zweitwohnungssteuer (die MZ berichtete bereits über beide) sind nun allerdings zwei Maßnahmen für 2023 auf dem Weg.

Ein Problem, das die Lutherstadt seit Jahren mit sich herumträgt und das sich entsprechend verschärft, ist der Investitionsstau. 34 Millionen Euro beträgt er beispielsweise allein im Fachbereich Gebäudemanagement, wie Fachbereichsleiterin Gabriela Günther in der vergangenen Woche im Bauausschuss vortrug. Veranschlagt sind dort für Investitionen sechs Millionen Euro im kommenden Jahr sowie fünf Millionen für 2024. Ein „Grundproblem“ in ihrem Fachbereich sei unterdessen der Unterhaltungsstau, so Günther.

Mehrfach war bei den Haushaltsberatungen in den Fachausschüssen in der vergangenen Woche vom Blick in die „Glaskugel“ die Rede. Die Unsicherheit über den Verlauf der nahen Zukunft ist auch im politischen Raum so groß wie lange nicht. „Wir fahren auf Sicht“, sagte etwa Grünen-Fraktionschefin Reinhild Hugenroth mit Blick auf die Situation in der Bundesrepublik allgemein. Hugenroth stellte vor diesem Hintergrund auch das Prinzip des Doppelhaushalts in Frage. Dieser stelle für die Verwaltung eine enorme Arbeitserleichterung dar, verteidigte Finanzchefin Beyer dieses Instrument.

Unsichere Gewerbesteuer

Wie sich die Gewerbesteuer entwickelt, weiß unterdessen niemand. Im laufenden Jahr ist auch in Wittenberg sogar mehr Gewerbesteuer eingenommen worden als geplant. Doch „wenn die wegbricht...“ (Beyer), wird dies fraglos schlimme Folgen für den Haushalt haben. Etwa 60 Prozent ihrer Erträge nimmt die Stadt durch Steuern und Abgaben ein. Kleiner Lichtblick: „Wir gehen davon aus, dass die Preise wieder sinken“, sagte Beyer angesichts der wildgewordenen Kosten in vielen Bereichen. Oberbürgermeister Torsten Zugehör (pl.) warnte, die Energiepreise würden die Etats von kleinen Städten „zum Platzen bringen“, es brauche „Sonderregeln“.

Bis 23. September haben die Stadträte nun Zeit, Nachfragen zum Zahlenwerk der Verwaltung zu stellen. Ende Oktober könnte die Lutherstadt dann über den Haushalt beschließen - und ihn am Ende womöglich erneut vom Landkreis genehmigt bekommen.

Neue Ausweichkita im alten Neubaugebiet

Hier eine Auswahl an Maßnahmen, die 2023/2024 in Wittenberg umgesetzt werden sollen:

Im Fachbereich Öffentliches Bauen (FB) werden mehr Mittel für Spielplätze, Straßen und Grünflächen eingestellt, der „Substanzerhalt“ sei aber auch weiterhin „nur in begrenztem Maße möglich“, so Fachbereichsleiter Uwe Branschke. 600.000 Euro sind für den Radtunnel am Hafen vorgesehen, 500.000 für LED-Straßenbeleuchtung. Von 2023 auf 2025 verschoben werden demgegenüber der Bau des Verbindungswegs von Wikana zur Elbe sowie die Bauarbeiten an der Rheinstraße. „Gestrichen“ sind Pläne für die Straße Neun Linden.

Im FB Gebäudemanagement sind 500.000 Euro für die Sanierung der Kita „Sonnenblume“ in Straach vorgesehen sowie jeweils gut eine Million (Fördermittel) für das Feuerwehrhaus in Pratau und die Turnhalle der Heinrich-Heine-Schule in Reinsdorf. Im Plan steht auch die immer wieder verschobene Sanierung des Westflügels des Cranach-Hofes Schloss-Straße 1. Interessant: Die Stadt will eine neue Ausweich-Kita anlegen, und zwar im alten Neubaugebiet: Umgebaut werden soll hierfür das leerstehende Gebäude Straße der Völkerfreundschaft 129. Bis dato fungierte als Ausweichdomizil bei Sanierungen das alte Ärztehaus in Piesteritz, manchmal waren es auch Container.

Der Fachbereich Bürger und Service geht im Doppelhaushalt 2023/2024 von weniger Personalkosten aus, da einige Stellen wegfallen. Für das kommende Jahr sind 365 Vollzeit-Jobs, 2024 dann 359 vorgesehen. Der Bestand habe sich bei etwa 360 eingepegelt, so Fachbereichsleiterin Julia Eichler. Ein Plus von jeweils einer Stelle ist für die Bereiche Öffentliches Bauen und Stadtentwicklung vorgesehen im Zusammenhang mit der Landesgartenschau, sowie zwei weitere fürs Bürgerbüro. 2026 würden die Aufwendungen fürs Personal bei 24 Millionen, 2027 bei gut 25 Millionen Euro liegen. Dabei „ist es kein Geheimnis“, dass die Stadt „wie andere Unternehmen“ , so Eichler wörtlich, Probleme habe, Stellen besetzen zu können. Erhebliche Investitionen kommen in den nächsten Jahren erneut im IT-Bereich auf die Stadt zu, insbesondere für die Software der Infrastruktur im Neuen Rathaus.

Neues Rathaus Wittenberg
Neues Rathaus Wittenberg
Klitzsch