Wittenberg Wittenberg: Landkreis widerspricht dem Landesrechnungshof
WITTENBERG/MZ. - "Der Landesrechnungshof sieht nur das Geld." Landrat Jürgen Dannenberg (Linke) sitzt in einem Beratungsraum in der Wittenberger Kreisverwaltung und hebt die Schultern. Gerade hat der Landesrechnungshof (LRH) den zweiten Teil seines Jahresberichts 2009 veröffentlicht - mit deutlichen Vorwürfen gegen den Landkreis: Der habe dank seines Genehmigungswettbewerbs im Jahr 2006 rund 500 000 Euro Mehrkosten beim Schülertransport und Tariferhöhungen von bis zu 28 Prozent zu verantworten. "Der LRH fragt aber nicht, was sich dahinter verbirgt", klagt Dannenberg.
Beispiel Schülerverkehr. "Mathematisch ist die Rechnung korrekt", attestiert Kreissprecher Ronald Gauert. Der LRH hatte ausgerechnet, dass der Kreis 500 000 Euro mehr bezahlt, weil "Firma A" (die unterlegen war) eine Schülermonatskarte angeboten hat, die zwölf Euro billiger sein sollte als die des Wettbewerbssiegers. "Die angebotenen Tarife waren nur eines von 13 Kriterien", hält Geschäftsbereichsleiterin Anke Tiemann dagegen, "da kann man nicht eines isoliert betrachten". Tatsächlich sei es dem Landkreis auf Qualität angekommen. Und die, so lobt das - allerdings ebenfalls vom LRH angegriffene - Landesverkehrsministerium, habe sich erheblich verbessert.
Tatsächlich hatte es von Beginn an Streit um die Ausschreibung des Landkreises gegeben. Der hatte nämlich zum ersten Mal einen Genehmigungswettbewerb ausgelobt: Statt um den Preis zu feilschen stand diesmal fest, wie viel Zuschüsse der ÖPNV-Betreiber zu erwarten hat: Gewonnen hat der, der das umfangreichste Angebot machte. Allerdings war die Bewertung der Angebot umstritten. Bis heute sehen sich Kreis und zwei Altanbieter vor Gericht.
"Bei der Vergabe sind die Folgen der Entscheidung nicht ins Kalkül gezogen worden", sagt Antje Heinrich, Geschäftsführerin eines der beiden Busunternehmen, die noch gegen den Landkreis klagen. Sie habe im guten Glauben gehandelt, zunächst "20 Jahre ÖPNV zu machen". "Und das will ich heute noch." Allerdings nicht nur, weil ihr Rückforderungen des Landes ins Haus stehen. Derzeit beantworte sie den Anhörungsbogen des Landesverwaltungsamtes, der dieser Tage abgeschickt wird. Es geht um Fördermittel, die im ÖPNV eingesetzt werden sollten. Der LRH rechnet dem Land vor, allein im Kreis Wittenberg insgesamt sieben Millionen Euro Förderung für Busse und Betriebshöfe ausgeschüttet zu haben, die nun brach liegen.
"Wir waren das Unternehmen im Landkreis mit dem geringsten Anteil an Fördermitteln", sagt Frau Heinrich. "Wir haben große Teile des Verwaltungsgebäudes und die Werkstatt komplett selbst finanziert", ergänzt sie. Gefördert worden seien die Bushalle, die Hofpflasterung, die Tankstelle und drei Busse. Für "sehr naiv" hält sie die Idee des LRH, die geförderten Busse an den neuen Betreiber der Linien zu übergeben. Eine entsprechende Klausel hatte der LRH für Fördermittelbescheide angeregt. "Das wäre der i-Punkt", meint sie. Zumal der neue Betreiber schon im Vorfeld der Zuschlagserteilung seine Busse bestellt habe.
Am 23. Juni ist die mündliche Verhandlung für Heinrich vorgesehen - am gleichen Tag treffen sich der Kreis und Scalar vor dem Verwaltungsgericht. Bis dahin hält der Landkreis die Füße still. "Es gibt im Augenblick nichts zum Handeln", sagt Dannenberg. Aus dem Verfahren werde man wegen des LRH-Berichts nicht aussteigen, "Details werden wir erst nach einer erfolgten Gerichtsentscheidung regeln". Denn auch Nachteile und Verzögerungen hat der langjährige Rechtsstreit mit sich gebracht: "Wir hätten ohne anhängige Verfahren anders verhandelt", räumt Dannenberg ein. Und man hätte an den Kriterien feilen können. "Das aber würde im Moment die Chancen des Altanbieters vor Gericht steigern."
Allerdings hat der Kreis - unter Aufsicht des Landesverwaltungsamtes - doch Änderungen zugelassen: Um bis zu 28 Prozent seien einige Fahrpreises schon zwei Jahre nach Genehmigung angehoben worden, klagt der LRH - und bezweifelt, dass dem Antrag des Unternehmens auf Tariferhöhung hätte stattgegeben werden müssen. "Wir haben dafür aber auch mehr Leistungen erhalten", widerspricht Dannenberg auch in diesem Punkt. Man habe dem LRH die Gründe detailliert erläutert, "aber mit ihm war kein Reden möglich", klagt wiederum Dannenberg, "es ging nur ums Geld".