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Altstadt Wittenberg Wittenberg Innenstadt: Schlafstörungen am Wittenberger Marktplatz

Von Irina Steinmann 14.08.2016, 04:00
Palmen am Wittenberger Markt in der Innenstadt. Im gelben Haus rechts befinden sich Wohnungen und die Bar.
Palmen am Wittenberger Markt in der Innenstadt. Im gelben Haus rechts befinden sich Wohnungen und die Bar. Thomas Klitzsch

Wittenberg - Als Gast schätzt man sie sehr, als Anwohner aber ist man manchmal nur genervt: Außengastronomie. Wo sie ist, ist der Streit nicht weit. Aktuelles Beispiel ist ein Freisitz auf dem Wittenberger Marktplatz. Seit vielen Jahren wohnt Ivonne Stahl mit Mann und Kindern am Markt 2, 1. Obergeschoss, die Schlafzimmer gehen nach vorn raus, gen Norden, das aber hat sich als faustdicker Nachteil erwiesen.

„Seit Monaten ist die Nachtruhe meiner Familie extrem beeinträchtigt (...) Es ist kaum noch möglich, nur eine Nacht durchschlafen zu können“, schreibt die 35-Jährige an die MZ. „Dabei macht es keinen Unterschied, ob es unter der Woche oder am Wochenende ist.“ Verursacher des Lärms ist Ivonne Stahl zufolge die „Coco Strandbar“, die im Sommer nicht nur im tropensandigen Untergrund, im Keller des Hauses, ihre Gäste empfängt, sondern eben auch draußen, an Tischen und Stühlen auf dem Markt.

Die Stadtverwaltung hat den aktuellen Fall am Freitag zum Anlass genommen, die Bürgerschaft explizit auf die Gefahrenabwehrverordnung hinzuweisen. „Aufgrund von vermehrt herangetragenen Beschwerden im Bereich der Ruhestörung, verweisen wir auf die Einhaltung der Gefahrenabwehrverordnung, insbesondere der dort festgeschriebenen Ruhezeiten“, heißt es in der Mitteilung. „Im Hinblick der gegenseitigen Rücksichtnahme“ bitte man darum, die Ruhezeiten einzuhalten (sonn- und feiertags komplett, werktags: 13 bis 15 Uhr Mittagsruhe, 20 bis 22 Uhr Abendruhe, 22 bis 7 Uhr Nachtruhe). Verstöße sind eine Ordnungswidrigkeit - und können übrigens ziemlich teuer werden - bis zu 5000 Euro. Die Zunahme von Lärmbeschwerden sei vorrangig jahreszeitlich bedingt und betreffe auch die Ortsteile, sagte Stadt-Sprecherin Karina Austermann unter Berufung auf Angaben des Stadtordnungsdienstes. Bei Streit auf dem Land gehe es häufig um die Gartenarbeit.

Lang und detailliert ist das Lärmprotokoll, das die berufstätige Mutter zweier schulpflichtiger Kinder allein für den Monat Juli erstellt hat. Eine Anregung des Ordnungsamtes, sagt Stahl, als sie sich vor einigen Jahren schon einmal in dieser Angelegenheit an die Stadt gewandt habe; man habe „Beweise“ verlangt.

„Da ich nachts noch immer nicht schlafen kann“, schreibt sie jetzt sarkastisch, „habe ich die Zeit genutzt, auch Bilder und Videos zu machen.“ Stahls Protokoll zufolge kehrte im Juli an keinem einzigen Tag vor 23.30 Uhr Ruhe ein, an den allermeisten Tagen aber ging demnach der Betrieb draußen vor der Tür noch weit länger, teils bis in die frühen Morgenstunden.

Was sie störe, betont Ivonne Stahl, sei ausschließlich die Außengastronomie, nicht die Kellerbar. Und auch am Wochenende sehe sie die Störung eher „gelassen“ - nicht aber wenn sie und ihr Mann am nächsten Tag früh aufstehen müssen, um zu arbeiten. Und die Kinder im Teenageralter jetzt wieder in die Schule gehen.

Dabei ist die Rechtslage eindeutig: Auch in Wittenberg herrscht zwischen 22 und 7 Uhr Nachtruhe. „Während der Ruhezeiten sind Tätigkeiten verboten, die die Ruhe unbeteiligter Personen wesentlich stören“, heißt es weiter in Paragraph 4 der städtischen „Gefahrenabwehrverordnung“, die damit ruhestörenden Lärm untersagt.

Die Stadt hat auf die aktuelle Mail von Stahl rasch reagiert und den Betreiber der Bar zur Anhörung eingeladen. Ein Gespräch fand nicht statt, man habe ihn schriftlich aufgefordert, die Ruhezeiten einzuhalten, und anderenfalls Konsequenzen angedroht, so Stadt-Sprecherin Karina Austermann auf Anfrage der MZ.

Der Stadtordnungsdienst werde kontrollieren. Sollte keine Ruhe sein, müsse der Betroffene mit einem Bußgeld oder sogar der „Teileinziehung seines Gewerbes“, sprich: dem Aus für den Freisitz, rechnen, so Austermann weiter. Der Betreiber der Coco-Bar, Holger List, weist die Klagen seiner Nachbarin gegenüber der MZ unterdessen zurück. Er wisse, dass der Markt „sehr hellhörig“ sei, gerade im Sommer, wenn die Menschen bei offenem Fenster schlafen, und sei daher „immer sehr bemüht“, die Geräuschbelästigung gering zu halten.

„Ich weise die Gäste darauf hin“, dass sie ab 22 Uhr ruhig zu sein hätten, beteuerte List und kündigte an, auch sein Personal nach der Beschwerde nochmals entsprechend einzuweisen. Freilich: „Ich kenne keine Kneipe, die damit keine Probleme hat.“ Es sei „nun mal Innenstadt“. (mz)