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Gesellschaft im Landkreis Wittenberg Wie von selbst befüllt - Offener Bücherschrank in Coswig ist neu eröffnet

Der offene Bücherschrank in Coswig wird nach wenigen Wochen neu aufgebaut. Die Leser bestücken die kleine, offene Bibliothek innerhalb kürzester Zeit.

Von Andreas Hübner 15.05.2024, 16:00
Monika Müller (li.) und Erika Schilling treffen sich am  Bücherschrank.
Monika Müller (li.) und Erika Schilling treffen sich am Bücherschrank. (Foto: Andreas Hübner)

COSWIG/MZ. - Wilfried Klank erfährt in den jüngsten Wochen in unzähligen kurzen Gesprächen beziehungsweise Nachrichten auf dem Smartphone und im Internet ausschließlich positives Feedback. Das größte Lob für den Coswiger aber war die stille, tatkräftige Unterstützung. Die ganze Geschichte erinnert fast schon an den bekannten Hollywoodstreifen „Feld der Träume“ aus dem Jahr 1989. Denn dieser eine prägnante Satz passt auf Klank und dessen Projekt genauso wie auf Kevin Costner, der seinerzeit die Hauptrolle spielte: „Baue es und sie werden kommen.“

Innerhalb von 36 Stunden

„Irgendwann gegen 20 Uhr abends war ich fertig“, berichtet Klank vom Abend des 18. April und spricht über den kleinen wieder aufgebauten Bücherschrank, der sich direkt an der kleinen Schluppe neben dem Coswiger Schloss befindet. „Schon am nächsten Morgen standen die ersten Bücher drinnen“, berichtet er.

„Innerhalb von gerade mal 36 Stunden war er schon komplett befüllt“, berichtet Klank, der sich – nachdem der ursprüngliche offene Bücherschrank im März einem Brandanschlag zum Opfer fiel – selbst lediglich um den Wiederaufbau gekümmert hatte. Die Erstbefüllung hatten die Nutzer und Leser der kleinen offenen Bibliothek selbst übernommen.

Fachsimpeln am Bücherschrank

Menschen wie Erika Schilling oder Monika Müller, die sich in der vergangenen Wochen am Schrank treffen und schnell ins Fachsimpeln kommen. Schilling lässt sich einen der John Grisham-Romane empfehlen. Mehrere Werke des amerikanischen Erfolgsautors stehen im Regal. Auch von der Schriftstellerin Tess Gerritsen sind einige Bücher zu finden, zudem ein Fachbuch zum Thema Kickboxen und unter anderem etliche Readers Digest Auswahlbücher.

„Ich bin regelmäßig hier“, berichtet Schilling der MZ, „mindestens ein- bis zweimal die Woche.“ Auch sie habe wieder ein paar Bücher mit herein gestellt und so geholfen, den offenen Bücherschrank neu zu befüllen. Und natürlich habe sie schon etliche Bücher aus dem Schrank gelesen. „Ich lese mich schnell mal fest, statt die Hausarbeit zu erledigen“, berichtet die 85-Jährige über ihr Hobby. „Ich finde es sehr schön, dass Herr Klank sich die Mühe gemacht und den Schrank wieder aufgebaut hat“, sagt Monika Müller. Sie habe gerade eben zwei Kochbücher hineingestellt. Kochbücher gingen nämlich immer.

Ein Stück Lebensqualität

Als regelrechtes Meisterwerk bezeichnet Evelyn Harnisch den Bücherschrank. „Dieses kleine Stückchen Lebensqualität, welches da am Wegrand stand, hat sehr viele Leserseelen erwärmt“, sagt sie. Es habe sehr geschmerzt, diese sinnlose Zerstörung zu sehen. „Um so schöner ist es jetzt, dass sich so viele eingesetzt haben und der Zerstörung trotzen.“

Klank betont immer wieder, dass er sich lediglich um den Bau gekümmert habe. Sein Vermieter Ulrich Wiesel sei beispielsweise extra von Berlin angereist, um die neue Vitrine anzuliefern. Diese habe Klank, der sich über die große positive Resonanz gewaltig freut, ganz bewusst in den alten Schrank hineingebaut, sodass man nach wie vor Brandspuren sehen könne. „Das ist hoffentlich auch ein bisschen mahnend“, sagt er. „Ich freue mich sehr, dass der Bücherschrank wieder aufgebaut ist“, meint auch Christian Pietschiny: „Das ist ein gutes Zeichen.“