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Wasserfall im Wohnzimmer Wasserfall im Wohnzimmer: Arbeitsloser Mieter gerät in die Mühlen der Bürokratie

Von Julius Jasper Topp 02.12.2018, 09:28
So sieht Giesches Einzimmerwohnung derzeit aus. Wann er wieder einziehen kann, ist ungewiss.
So sieht Giesches Einzimmerwohnung derzeit aus. Wann er wieder einziehen kann, ist ungewiss. Thomas Klitzsch

Wittenberg - Es ist Samstagnachmittag, ein Tag Anfang September. René Giesche hilft einem Freund bei Gartenarbeiten aus, als eine Bekannte herbeiläuft und ruft: „In deiner Wohnung plätschert es.“ Giesche fährt zu seiner Einraumwohnung in der Wittenberger Innenstadt und öffnet die Tür.

„An den Tapeten war es der reinste Wasserfall“, sagt er - ein Wasserschaden aus dem Stockwerk über ihm. Die Feuerwehr kommt und stellt das Wasser ab. Er müsse raus, heißt es. Hier könne er nicht bleiben.

Er packt etwas Kleidung ein. René Giesche ist arbeitslos, hat nicht viel Geld. Er ruft die Hausverwaltung, die Wigewe, an und fragt, wo er nun hinsolle. Die bringt ihn in einer Gästewohnung des kommunalen Wohnungsunternehmens Wiwog unter. Vollmöbliert, drei Zimmer.

Was danach folgt, ist Streit. Die Renovierung von Giesches Wohnung zieht sich - zunächst muss er das Apartment leerräumen, die vom Wasser ohnehin ramponierten Möbel stapelt er unter einem Carport auf dem Hof seines alten Wohnhauses.

Arbeitsagentur zahlt nicht

Üblicherweise zahlt Giesche wenige hundert Euro Miete für die Einzimmerwohnung. Die Kosten dafür übernimmt die Arbeitsagentur. Die Gästewohnung, die ihm die Wohnungsgesellschaft besorgt hat, ist ungleich teurer.

Nach einigen Monaten hat er eine Rechnung vorliegen: Auf über 1800 Euro summiert sich die Miete der Gästewohnung. Er verweist an die Arbeitsagentur. Doch die wehrt sich: Die Kosten für eine Ersatzwohnung habe der Vermieter zu tragen.

„Gerade wegen der unverschuldeten Unbewohnbarkeit der Wohnung könnte der Vermieter Wigewe verpflichtet sein, die durch die Unbewohnbarkeit entstandenen Kosten (u.a. für die Ersatzunterkunft) nach § 555a BGB in angemessenem Umfang zu übernehmen“, schreibt die Arbeitsagentur an Giesche.

Damit spielt die Behörde auf einen Passus im Gesetz an, der Mietern versichert, dass sie Schadensersatz vom Vermieter bekommen, falls auf sie Mehrkosten wegen Instandsetzungsarbeiten in ihrer Wohnung zukommen. Auf Verlangen müsse der Vermieter sogar einen Vorschuss leisten, heißt es im Gesetzestext.

Bei der Wigewe weiß man auf Anfrage der MZ nichts von der Zahlungsweigerung der Arbeitsagentur. „Unser Kenntnisstand ist, dass wir Herrn Giesche aus Kulanzgründen eine Ersatzwohnung besorgt haben“, sagt Torsten Müller vom Wittenberger Wohnungsverwalter.

Weitere Informationen habe man bislang nicht. Bei der Wiwog, die die Gästewohnung an Giesche vermietet und die auch die Forderung über die ausstehende Zahlung an ihn gerichtet hat, verweist man wiederum zurück an die Schwesterfirma Wigewe. Die sei in diesem Fall zuständig, heißt es auf MZ-Anfrage.

René Giesche hat inzwischen eine Anwältin eingeschaltet, die sich gegen die Geldforderungen der Wiwog wehrt. Sein Problem: Findet sich nicht bald eine Einigung, könnte er auch die Gästewohnung verlieren, während sein wassergeschädigtes Einzimmer-Apartment noch nicht fertig renoviert ist. Derzeit stehen darin noch Gerüste und Bautrockner. Wohnen kann hier noch niemand.

Einzugstermin ist ungewiss

Auf die Frage der MZ, wann die Wohnung bezugsfertig sein soll, konnte die Wigewe keine Auskunft geben. René Giesche sagt, man habe ihm einen Termin zum Jahreswechsel genannt. Allerdings habe ihm der Vermieter seiner Ersatzwohnung, die Wiwog, mitgeteilt, sollte er nicht bald zahlen, müsse er zum 30. November aus der Wohnung ausziehen.

Der 44-Jährige hofft nun, dass sich seine Anwältin noch gegen die Forderungen durchsetzen kann. „Sonst bin ich bald obdachlos“, sagt er. (mz)