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Ausstellung „sichtbar“ machen Waldhaus in Bergwitz entwickelt Buch in „Brailleschrift“ für Führung blinder Teilnehmer

Waldhaus am Bergwitzsee möchte auch blinden Menschen ermöglichen, sich mit Ausstellung auseinanderzusetzen. Buch in Braille-Schrift soll entstehen. Für die Idee gibt es nun eine Förderung.

Von Paul Damm 16.05.2024, 14:00
Waldhauschefin Heidrun Weise (M.) nimmt die Urkunde der Town & Country-Stiftung von Stiftungsbotschafter Marcus Riedl  entgegen.
Waldhauschefin Heidrun Weise (M.) nimmt die Urkunde der Town & Country-Stiftung von Stiftungsbotschafter Marcus Riedl entgegen. Foto: Paul Damm

Bergwitz/Wittenberg/MZ. - Sehbehinderte und blinde Menschen stehen oftmals vor großen Hürden. Schon der normale Alltag kann für sie herausfordernd sein. Doch wie muss es sein, ein Museum oder eine Ausstellung zu besuchen, in der es „stockfinster“ist?Und wie genau soll dann etwas erlebbar gemacht werden, das diese Sehbehinderten nicht sehen können und sich bildlich vorstellen müssen? Damit hat sich Kathrin Hildebrandt aus dem Bergwitzer Waldhaus intensiv auseinandergesetzt–und eine Lösung erarbeitet. Für die gab es nun eine Förderung in Höhe von 1.111 Euro.

Wunsch nach Texten in Braille

Hildebrandt ist seit rund 20 Jahren auch als Gästeführerin tätig. In dieser Zeit kam die Kembergerin häufig mit sehbehinderten oder blinden Menschen in Kontakt. „Da merkte man erstmal, wie schwierig es ist, denen etwas zu erklären, das für uns offensichtlich ist“, berichtet die Frau, die zum festen Team im Bewegungs- und Informationszentrum „Waldhaus am Bergwitzsee“ gehört. Viele Sehbehinderte äußerten bei der Führung durch die interaktive Ausstellung den Wunsch, etwas zu den jeweiligen Stationen nachlesen zu können. Unter anderem liegen die Schwerpunkte auf dem Thema Wald in der Dübener Heide mit seiner Flora und Fauna, dem Thema Wasser mit dem Bergwitzsee als früherem Bergbaugebiet und dem Themenbereich Mensch mit Berufen, die in Bergwitz unter anderem mit der einstigen Brikettfabrik vertreten waren.

Die Kembergerin kam diesem Wunsch im Herbst vorigen Jahres nach und widmete sich der Ausarbeitung eines Nachschlagewerkes zu der Ausstellung im Waldhaus in Braille-Schrift, also der sogenannten Punktschrift für Blinde. Dieses geheftete Buch soll dann sowohl in der Blindenschrift als auch in herkömmlicher Schrift Informationen zu den einzelnen Stationen enthalten und ist für Blinde sowie deren Betreuer gedacht. Viele Blinde, die bereits im Waldhaus waren, wünschen sich im Vorfeld eine Führung, „damit sie sich in die Thematiken in Ruhe einlesen können und wissen, was sie hier erwartet“, sagt Kathrin Hildebrandt. Das soll allen ermöglicht werden.

Die Umsetzung jedoch ist nicht so einfach wie zunächst gedacht. Zwar gibt es im Netz einen Textgenerator, der die deutsche Sprache zuverlässig in Braille-Schrift übersetzt, doch viele Worte müssen ersetzt werden – „eben durch Dinge, die wahrgenommen werden“, sagt die Gästeführerin. „Ich habe sehr gehadert, wie stelle ich es den Leuten dar.“ Hildebrandt nahm daraufhin einen ersten Kontakt mit Sandra Kirsche vom Deutschen Zentrum für barrierefreies Lesen (dzb) auf, die ihr wertvolle Tipps an die Hand gab. Sie lieferte auch Beispiele von Blindenschrift-Büchern anderer Museen wie etwa dem „Grassi“-Museum Leipzig. Das half der Kembergerin, sich in die Thematik einzufinden. Schließlich sollen die Exponate sowohl in ihrem Erscheinungsbild als auch in ihrer Botschaft für Blinde sowie Sehbehinderte gut nachvollziehbar sein, erklärt die Kembergerin.

Um sich besser in die Situation von blinden Menschen hineinversetzen zu können, nahm Hildebrandt zwölf blinde Menschen unterschiedlichster Sehstärke mit auf eine Waldwanderung in die Dübener Heide. „Manche haben punktuell etwas sehen können, andere nahmen noch nicht mal Schwarz wahr. Das war eine große Herausforderung.“ Jedoch half es ihr dabei zu verstehen, wie Blinde die Welt um sich herum wahrnehmen und wie sie etwas beschreiben. Mitunter assoziieren sie Farben mit Eigenschaften und Emotionen: Rot steht für heiß, währenddessen die Farbe Blau die Kühle symbolisiert. All das musste berücksichtigt werden, erklärt die Kembergerin.

Engagement wird belohnt

Beworben hat sich das Waldhaus mit diesem Projekt bei der Town & Country-Stiftung. Diesen Dienstag ist das Team des Vereins „Elbaue-Heideregion-Kemberg“ für außergewöhnliches Engagement im Zusammenhang mit der Förderung benachteiligter Kinder und Jugendlicher mit mehr als tausend Euro gefördert worden. Vom Stiftungsbotschafter Marcus Riedl aus Wittenberg erhielt das Waldhaus eine Urkunde mit der Fördersumme. „Die bekommt einen schönen Platz bei uns“, freut sich Waldhaus-Chefin Heidrun Weise. Riedl lobte darüber hinaus den Einsatz für die Umsetzung dieses Projektes, das auch auf lange Sicht blinden Besuchern der Ausstellung einen echten Mehrwert biete.

Ein Buch in gestanzter Blindenschrift ist nicht preiswert. 700 Euro soll ein Exemplar kosten. Insgesamt zwei sollen angeschafft werden. Diese liegen im Waldhaus aus – und werden bei Bedarf gereicht. Voraussichtlich im Juni soll dann der erste „Ausstellungsführer“ ausliegen. Dann erfolgt ein erster Testlauf – mit mehreren sehbehinderten Menschen. Weise lobt: „Als ich von dieser Idee hörte, war ich sofort dabei.“ Das Haus selbst sei ohnehin behindertengerecht gebaut und die Ausstellung dann ebenso.