Wald bei Möhlau Wald bei Möhlau: Streit um den Luderplatz

Möhlau - Gudrun Wirth hat im Wald bei Möhlau einen schrecklichen Fund gemacht: „In einer offenen reichlich knietiefen Grube mit abgeschrägten Rändern lag in Sicht- und Schussweite eines Hochsitzes ein unaufgebrochenes Reh- oder Rotwild. Lediglich die Augäpfel fehlten. In der Grube lagen frische sauber abgetrennte Läufe eines ähnlichen Tieres sowie verschiedene Skelettreste. Auch in der Umgebung fanden sich Fell- und Skelettreste, zum Teil schon grün bemoost“, schildert sie ihren Fund in der Nähe des Klärwerks für das ehemalige Asylbewerberheim und weiß, was sie entdeckt hat: einen Luderplatz.
Probleme im Wald gibt es auch in Gräfenhainichen. Hier sorgt seit Ende Oktober ein noch unbekannter Wilderer für größte Unruhe und für tödliche Gefahren. Nachdem eine Frau um ein Haar von einem Schuss getroffen wurde, ermittelt inzwischen die Polizei. An den Jagdkanzeln wird mit Zetteln auch auf das Einschalten der Polizei hingewiesen. Die Recherchen stehen offensichtlich kurz vor dem Durchbruch. „Es gibt eine heiße Spur“, sagt auf MZ-Anfrage zumindest der Gräfenhainichener Jäger und CDU-Politiker Walter Schwiersch, der im Dezember gegen den unbekannten Schützen in der Dienststelle der Polizei in Gräfenhainichen Strafanzeige gestellt hat.
Fleisch als Lockmittel
Das ist eine jagdliche Einrichtung zum Anlocken von Fleischfressern: Füchse, Marder und Greifvögel. Auch Naturschützer nutzen diese Methode, um Vögel, insbesondere Geier und Rotmilane, sowie Raubtiere zu füttern. Dabei ist genau geregelt, welche Vorkehrungen zu treffen sind, um Mensch und Umwelt vor schädigenden Einflüssen zu schützen. Noch strenger als die Landesgesetzgebung sind Richtlinien der EU zur Hygiene, die dazu geführt haben, dass das Ausbringen von toten Tieren und Teilen davon bis auf wenige Ausnahmen - zu denen aber Luderplätze zählen können - verboten beziehungsweise stark eingeschränkt wird. Demnach sind Luderplätze in der Nähe von Wegen ein völliges Tabu.
Jagdbehörde soll Vorfall klären
Und so vermutet Wirth, dass das Vorgefundene „nicht den gesetzlichen Bestimmungen entspricht“. Das zu klären, ist Aufgabe der Jagdbehörde im Landratsamt. Dort hält sich die Begeisterung über den Hinweis auf einen möglichen Gesetzesverstoß in überschaubaren Grenzen. Es sei verwunderlich, so Wirth, dass sofort erläutert wurde, welche Umstände dazu führen dürfen, dass das Wild berechtigterweise dort abgelegt wurde. „Wenn das Vorgehen am Luderplatz rechtmäßig ist, bitte ich, mir mitzuteilen, welche Tierart mit einem unaufgebrochenem Wildstück dieser Größe bejagt werden soll. Um eine Notfütterung kann es sich angesichts des milden Winters wohl kaum handeln“, so Wirth.
Keine neuen Erkenntnisse
Diese Hartnäckigkeit führt zu einem von der Jagdbehörde vermittelten Vor-Ort-Termin mit dem nicht zuständigen Gräfenhainichener Ordnungsamtschef Klaus-Peter Mitleger. Es gibt keine neuen Erkenntnisse. „Wir stimmten darin überein, dass das Tier sich nicht in der Grube zu Tode gestürzt hat“, lautet das Fazit von Wirth. Mitleger selbst spricht von einem „dienstlichen Waldspaziergang“. Allerdings könne er die Frage, ob hier gegen Rechtsvorschriften verstoßen wurde, nicht beantworten. Das sei nicht sein Fachgebiet.
Lesen Sie auf der nächsten Seite wie CDU-Politiker und Jäger Walter Schwiersch die Situation einschätzt und welche Position das Landratsamt zum Vorfall einnimmt.
Walter Schwiersch in Gräfenhainichen ist ein Experte. Der CDU-Politiker ist Jäger und davon überzeugt, dass sein Waidmannskollege nichts Falsches getan habe. Es handele sich bei dem abgelegten Wild offensichtlich um einen „Verkehrstoten“ - also ein Tier, dass nach einer Kollision mit einem Fahrzeug verendet ist - und das sind „Leckerbissen für die Wildschweine.“ Er ist auch sicher, dass sich mit dem unaufgebrochenem Wild der Wolf - der in Bitterfeld sein Revier hat - nicht über die Kreisgrenze locken lässt.
„Der jagt sein Beute lieber selber. Und kein Jäger schießt auf einen Wolf“, so Schwiersch, der nach der Wirth-Schilderung es aber für möglich hält, dass der Luderplatz „nicht ordnungsgemäß hergerichtet“ wurde. Tatsächlich wird das Luder in der Regel flach eingegraben und mit Mist abgedeckt. Dadurch wird angestrebt, das die anzulockenden Tiere mit dem Freilegen und Fressen längere Zeit beschäftigt sind. Genügend Zeit für die Beobachtung oder zur Bejagung.
Kritikerin im Sperrgebiet?
Der Anleger des umstrittenen Platzes schießt nach eigenen Angaben ein- bis zweimal im Monat Füchse. Die gegen ihn erhobenen Vorwürfe seien „eine Massenbeschäftigung“. Der Möhlauer sieht den Gesetzesverstoß bei der Kritikerin. „Sie hat Sperrgebiet betreten“, sagt er. Er lege dort bewusst seine Luderplätze an, weil sie dort niemanden stören können. Und er bestätigt: „Ich habe das tote Tier von der Straße wegegeräumt. Die Kommunen sind froh, dass wir so verfahren. So sparen sie die Kosten für die Tierkörperbeseitigung“, so der Jäger. Wirth ist empört: „Ich habe trotz verwirrender Beschilderung kein Sperrgebiet betreten“, betont die ehemalige Verwaltungschefin.
Rückendeckung für Jäger
Im Landratsamt gibt es im Punkt Luderplatz die volle Rückendeckung für den Jäger. „Füchse, die sich satt fressen, lassen die Hasen in Ruhe“, sagt Nadine Frank von der Unteren Jagdbehörde und „Der Wolf vergeht sich nicht an Luder“. Allerdings könne sie „nichts Grundsätzliches“ zur kritisierten Grube sagen. Sie habe sie nicht angeschaut. „Dazu hatte ich keine Zeit“, so die Mitarbeiterin der Kreisverwaltung.
Und so lässt sich die Frage nicht mehr beantworten, ob der Luderplatz den gesetzlichen Bestimmungen entspricht oder nicht. Die Grube ist inzwischen beräumt - nach einem Telefongespräch zwischen Frank und dem Möhlauer Jäger. Doch das ist nicht das Ende des Problems. „Nur ein paar Schritte weiter gibt es zwei neue Luderplätze“, so Wirth. Übrigens: Zur Gestaltung von Luderplätzen können auch vegetarische Lockmittel eingesetzt werden.
