1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Wittenberg
  6. >
  7. Wahrzeichen gesprengt: Wahrzeichen gesprengt: Letzte Schornsteine in Vockerode gefallen

Wahrzeichen gesprengt Wahrzeichen gesprengt: Letzte Schornsteine in Vockerode gefallen

Von Michael Hübner 18.09.2013, 09:15
Die letzten Schlote des ehemaligen Gasturbinen-Kraftwerks in Vockerode sind am Mittwoch gefallen.
Die letzten Schlote des ehemaligen Gasturbinen-Kraftwerks in Vockerode sind am Mittwoch gefallen. Alexander Baumbach Lizenz

Vockerode/MZ - Sie waren ein Symbol der Industrie-Ära und weithin sichtbar: die beiden Schornsteine des früheren Gasturbinenkraftwerkes in Vockerode (Kreis Wittenberg). Gebraucht wurden die Schlote seit der Stilllegung der Anlage vor 16 Jahren nicht mehr. Gestern wurden sie gesprengt. Uwe Jacob zählte die letzten Sekunden runter und gab Punkt 11 Uhr das Kommando „Zündung!“ Nach einem lauten Knall und im Abstand von zwei Sekunden stürzten die jeweils 100 Meter hohen Schlote zu Boden - in das vorbereitete Bett.

#video

„Perfekt“, kommentierte der Sprengmeister erleichtert: „Die Schornsteine sind bezwungen!“ Sie hatten gegen 90 Kilogramm Sprengstoff und 900 Zünder nicht den Hauch einer Chance. Zurück blieben nur ein Schuttberg von insgesamt 2 600 Tonnen, der für den Bau von Autobahnen wieder verwendet werden soll, und eine gewaltige Staubwolke.

„Ein guter und sauberer Job“

Hunderte Menschen verfolgten das Schauspiel, das knapp sechs Sekunden dauerte. Dabei war auch die einstige Maschinistin Petra Nowak. „Ich bin eine echte Gas-Mieze. So wurden wir Frauen eben genannt. Das war nicht böse gemeint“, sagt die Vockeröderin, die in dem Werk in die Lehre gegangen war und nach der Berufsausbildung im Unternehmen arbeitete. „Ein guter und sauberer Job“, schwelgt sie in Erinnerungen. Der 20-köpfigen Belegschaft gehörten dabei nur zwei Männer an - die Chefs - an. „Zickenkrieg gab es trotzdem nicht. Wir haben uns alle gut verstanden“, erzählt Nowak, die zu den 74 Einwohnern Vockerodes gehörte, die gestern während der Sprengung ihre Wohnungen verlassen mussten.

Das eigentliche Kraftwerk steht noch

Die Betroffenen kamen für ein paar Stunden im Bürgertreff unter, wo ein reichhaltiges Frühstücksbüfett trotz Wehmut gute Stimmung aufkommen ließ. Gastgeber Roland Böhmer, der mit seinem Team seit Mai und noch bin Ende des Jahres für den kompletten Abriss der Anlage verantwortlich ist, ließ dabei nicht den geringsten Zweifel aufkommen: Die Wahrzeichen des Ortes haben nicht nur längst ausgedient, sondern stellten bereits eine Gefahr für die Menschen dar. Der Rückbau sei notwendig. Weitergehende Zukunftspläne für die Fläche gibt es noch nicht. „Es bleibt eine grüne Wiese“, so Vize-Bürgermeister Rüdiger Schmidt (SPD).

Dabei sind gestern nur die kleinen Brüder der bereits verschwundenen Schornsteine in Vockerode gefallen. 140 Meter hoch waren die vier Schlote des benachbarten und bereits 1994 stillgelegten Braunkohlekraftwerks, die ebenfalls weithin sichtbar eine markante Landmarke gerade für die Verkehrsteilnehmer auf der Autobahn 9 waren. Nachts konnten die roten Flugsicherungslichter gut zugeordnet werden. Sie waren in den 1960er Jahren installiert worden, nachdem ein Flugzeug in einen der Schlote geprallt war. Sechs Passagiere und ein Handwerker kamen dabei ums Leben.
2001 wurden die vier Kamine gesprengt - nachdem das Land Sachsen-Anhalt dies trotz Denkmalschutz-Status des Kraftwerks und reichlich Protesten auch aus der Fachwelt überraschend erlaubt hatte. Das eigentliche Kraftwerk steht noch, war etwa Schauplatz für das Spektakel „Marquis de Sade“ und ist im Moment aus Sicherheitsgründen für die Öffentlichkeit gesperrt.

Die letzten Schlote des ehemaligen Gasturbinen-Kraftwerks in Vockerode sind am Mittwoch gefallen.
Die letzten Schlote des ehemaligen Gasturbinen-Kraftwerks in Vockerode sind am Mittwoch gefallen.
Alexander Baumbach Lizenz
Zahlreiche Schaulustige beobachteten die Sprengung am Rande des abgeriegelten Sperrbereichs.
Zahlreiche Schaulustige beobachteten die Sprengung am Rande des abgeriegelten Sperrbereichs.
Alexander Baumbach Lizenz