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Verzweifelte Hilfeschreie in der Nacht

Von ULF ROSTALSKY 29.04.2009, 18:24

BERGWITZ/DESSAU/MZ. - Vielmehr an den Lärm, der öfter mal vom nahen Bahnhof ausgehe, wo sich nächtens zuweilen Jugendliche herumtreiben würden. Von jugendlicher Grölerei ging indes nicht nur die Rentnerin aus. Gleich mehrfach kam die Vermutung im Zeugenstand des Dessauer Landgerichts zur Sprache. Für Manfred Steinhoff, den vorsitzenden Richter, ist das an sich nicht ungewöhnlich. "Wer denkt denn an Schlimmes im friedlichen Bergwitz." In Dessau wurde der Prozess gegen einen 41-Jährigen fortgesetzt, dem die Staatsanwaltschaft die Tötung seiner Ex-Frau im August letzten Jahres vorwirft. "Aus niederen Beweggründen", wie es in der Anklage heißt.

Gesehen hat von den Montag geladenen fünf Zeugen niemand, was in der Nacht vom 7. auf den 8. August in der Bergwitzer Siedlung vorgefallen ist. Aber gehört haben alle etwas. Von lauten Schreien war die Rede. Und davon, dass alles so heftig und Angst einflößend gewesen sei. "Wie im Horrorfilm", meint eine Nachbarin, die letztlich aus Furcht die wegen der Wärme offen stehende Terrassentür geschlossen habe. Auch sie wurde gegen 1.30 Uhr aus dem Schlaf gerissen. Aus Anfangs schwer verständlichen Worten will sie später wie die 67-jährige Rentnerin die Forderung nach Geld herausgehört haben. "Ja. Ganz klar. Der Mann hat das Geld gewollt, die Frau gesagt, dass sie nichts hat", wiederholte die Nachbarin ihre bereits vor der Polizei gemachte Aussage. Ähnlich glaubt es auch die Rentnerin gehört zu haben. "Gib Money. Das sagt doch sonst keiner bei uns", gab sie zu Protokoll.

Mit den anderen Zeugen teilen beide auch die Wahrnehmung von Hilfe-Schreien. Zwei, drei Mal wollen alle das Flehen einer eher jüngeren Frau erkannt haben. Doch dann sei Schluss gewesen. "Vielleicht noch so etwas wie das Brechen von morschem Holz und das Schlagen einer Holztür", kramt die Seniorin in ihrer Erinnerung. Es sei alles sehr ernst gewesen, meinen die Zeugen, von denen eine letztlich die Polizei gerufen hatte. Dass auch später vor den Beamten mehrfach von "Hilfe-Rufen eines Mädels" gesprochen wurde, rief der Verteidiger Michael Zimmermann in Erinnerung. Doch jünger und älter sind relativ zu betrachten. Das musste auch er feststellen. "Ich hatte mit Anfang 40 noch eine so hohe Stimme, dass ich im Chor Sopran singen konnte", wurde ihm von der 67-Jährigen erklärt. Der angeklagte Ex-Mann der getöteten Bergwitzerin nahm die Schilderungen wortlos zur Kenntnis.

Anders in Sachen Datenmaterial, das auf seinem Computer rekonstruiert worden war. Da schüttelte er den Kopf und wusste keine Erklärung, wann und wer unter dem Zugangswort "meiner" dort kurz vor dem Tatzeitpunkt recherchiert habe. Staatsanwältin Heike Kropf erinnerte daran, dass nach Hinweisen für das gewaltfreie Öffnen eines Türschlosszylinders gesucht wurde. Und nur wenige Tage nach dem Tod der Bergwitzerin nach Halbwaisenrente und Kindergeld. Der Angeklagte und die Getötete haben einen gemeinsamen, acht Jahre alten Sohn. Der Prozess wird am Montag fortgesetzt.