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Verkehr  Verkehr : Schlagartig Stille nach Jahrzehnten des Lärms

Von Marcel Duclaud 23.12.2019, 11:40
Mitarbeiter der Straßenbaufirma sind dabei Arbeiten an den Banketten durchzuführen.
Mitarbeiter der Straßenbaufirma sind dabei Arbeiten an den Banketten durchzuführen. Thomas Klitzsch

Eutzsch - Was es jahrzehntelang nicht gab, ist in Eutzsch inzwischen zur Normalität geworden: kaum ein Auto auf den Straßen, es ist ziemlich still, nur von Ferne klingt das Rauschen der Umgehungsstraße in den Ort.

Den Bürgern, die lange gelitten, lange gekämpft haben, damit der belastende Durchgangsverkehr aus dem Ort verschwindet, vermissen nichts: „Es ist ruhiger und sicherer geworden, die Lebensqualität hat sich deutlich verbessert“, freut sich Ortsbürgermeister Gerd Sehmisch. Händler, die über mangelnde Kundschaft klagen könnten, gibt es nicht mehr in Eutzsch. Der Bäcker hat geschlossen, der Konsum ebenfalls. „Ich dachte, ich bin beim Hochwasser“, erinnert sich Sehmisch an den Augenblick im August dieses Jahres, als es schlagartig still wurde.

Hartnäckigkeit zahlt sich aus

Im August ist die lange geforderte und schließlich tatsächlich gebaute Umgehungsstrecke für den Verkehr freigegeben worden - nicht zuletzt ein Erfolg der Hartnäckigkeit der Eutzscher. Horst Ewald weiß noch, als die Bürgerinitiative gegründet wurde, das war 1998. Er wohnt direkt an der einstigen Bundesstraße - vielleicht zehn Meter weg. „Den Geräuschpegel gab es ständig. Fenster konnte man nicht einfach öffnen. Überall war ein unheimlicher Schmutz.“ Im Schnitt sind damals pro Tag rund 15 000 Fahrzeuge durch Eutzsch gerollt, in der Spitze 20 000, darunter 2 000 Schwerlaster, so Ewald. Als aus dem Lärm im August urplötzlich ein „Flüstern“ wurde, hat er als erstes die Fassade seines Hauses renoviert. Vorher lohnte das nicht. Saniert werden soll laut Sehmisch demnächst auch das Haus, in dem die Kindertagesstätte untergebracht ist. Dort haben die Erschütterungen des Verkehrs Risse im Putz hinterlassen.

Auch Andreas Parrey profitiert von den Veränderungen, die die Umgehungsstraße mit sich brachten. Der Verkehr habe von Jahr zu Jahr zugenommen. Kein Wunder, im Ort kreuzten sich zwei Bundesstraßen, die dritte ist nicht weit weg. „Ich musste die Gläser im Schrank regelmäßig nach hinten schieben.“ Eine Herausforderung sei es oft gewesen, aus dem Grundstück auf die Straße aufzufahren, wegen des dichten Verkehrs. Bis sich eine Lücke fand, konnten mehrere Minuten vergehen. „Momentan“, sagt er, „fühlt es sich an wie im Urlaub. Das Meeresrauschen ist permanent da, stört aber nicht.“ Dass der idyllische Zustand endet, wenn die Zufahrt Eutzsch Nord, an der noch gebaut wird, offen ist, regt niemanden auf. So schlimm wie früher wird es garantiert nicht.

Es ist, sagen die Eutzscher, die sich für die Umgehung eingesetzt und einmal sogar die Bundesstraße aus Protest blockierten hatten, „ein schönes Gefühl, etwas erreicht zu haben“. Ein Selbstläufer sei das freilich nicht gewesen. „Wir sind immer dran geblieben“, sagt Horst Ewald. Als sinnvoll erwiesen habe sich, dass Bürger und Bürgermeister aufgetreten sind bei den Behörden: „Wir sind ein gutes Gespann.“

Wunsch nach Schallschutz

Mit der neuen Umgehungsstraße hat sich das Leben für viele Eutzscher klar verbessert, nicht für alle. Torsten Kunert wohnt mit seiner Familie dort, wo es lange relativ ruhig war - nun aber lauter wurde. Die Umgehung führt nicht weit entfernt von seinem Haus vorbei: „Dass der Lärm bei Ostwind so groß ist, hätte ich nicht gedacht. Draußen miteinander zu reden, ist dann kaum möglich.“ Die Umgehung findet er gut, schon allein deshalb, „weil die Kinder jetzt problemlos ins Dorf können“, dass es eine lärmmindernde Lösung geben wird, hofft er aber und kündigt an: „Wir geben uns nicht einfach mit der Situation zufrieden und fordern eine Schallpegelmessung.“

(mz)