Und morgen die ganze Welt
Wittenberg/MZ. - Was Gerhard Olinczuk mit oder besser gesagt: von Wittenberg aus vorhat, steht rein rechnerisch in einem gewissen Gegensatz zu der Gruppe, die ihn ins Rennen schickt um den Chefsessel im Rathaus der Lutherstadt: Bloß vier Mitglieder zählt das 2007 gegründete Bündnis "bundTAO", das sind seine Lebensgefährtin, eine Freundin der Familie, ein Vertrauter aus Münster und Olinczuk selbst, der Bundesvorsitzende der jungen "politischen Partei".
Das sind die Zahlen. Und das ist der Anspruch: "Ich bin der Einzige, der etwas verändern kann." Wenn Olinczuk das sagt, meint er damit keineswegs (nur) die kleine Stadt Wittenberg. Er meint die ganze Welt. Diese Welt voller "Unrecht" und "Unheil" und "Kapitalismus", die ergo dringend einer "geistigen Erneuerung" bedarf. Die Lutherstadt kann da nur ein Anfang sein.
Es ist das zweite Mal nach 2001, dass der gebürtige Brite Oberbürgermeister werden will in Wittenberg. In der teils fröhlich laubfroschgrün gestrichenen Geschäftsstelle von "bundTAO" mitten in der Wittenberger Fußgängerzone lässt Gerhard Olinczuk, im Hauptberuf "Ratgeber in Lebens- und Daseinsfragen", seinen globalen Anspruch für die MZ ausnahmsweise zusammenschnurren auf kommunale Angelegenheiten.
Er wolle ein neues Müllkonzept erstellen lassen, eine Müllverbrennungs- und -recycling-Anlage an der Elbe ansiedeln und Bedürftige von den Gebühren freistellen, damit nicht mehr so viel Müll wild herumliegt in der Gegend. Der Marktplatz müsse für die Jugendlichen umgestaltet werden mit Brunnen und Bänken und junge Leute die Gelegenheit bekommen, sich selbst ein Jugendzentrum auszubauen. Der Nahverkehr soll in der Stadt komplett kostenlos sein, damit die Leute nicht so viel mit ihren Autos herumfahren. Gut möglich, sagt Olinczuk, dass er als Oberbürgermeister dem Wittenberger Stadtrat raten wird, für die Stadt Insolvenz anzumelden, aber dazu müsse er erst einmal einen Blick in die Bücher werfen; das gelte auch für die Finanzierung der einzelnen Projekte. Schließlich, und hier treffen sich in der Vorstellung der kommunale und der globale Anspruch, will Gerhard Olinczuk zwecks Aussöhnung "alle Krisenherde dieser Welt" in die "Friedensstadt" Wittenberg holen, die Spitzen von Israelis und Palästinensern als Erste und später auch die Vertreter aller Religionen. "Wir brauchen keine Reformation, wir brauchen eine Revolution des Geistes, welcher im Herzen verwurzelt ist und nicht im Kopf."
Neulich bei Verdi haben sie ihn trotzdem nicht verstanden.