Umwelt Umwelt : Sorge um den Artenschutz in Wittenberg

Wittenberg - Wer Vergleiche sucht, wird vermutlich zuerst an eine Benjeshecke denken. Nur dass diese hier gewaltige Ausmaße hat und aus ausgesprochen großem Totholz besteht. Gewiss mehr als 100 Meter entlang der Braunsdorfer Straße in Richtung Platanenweg im Wittenberger Ortsteil Apollensdorf türmt sich dieser Wall. Er fällt auf - auch Irena Gräwert. Sie wendet sich deshalb an die MZ.
Gräwert mag die Natur, das gilt für Flora und Fauna gleichermaßen. Und es ist noch nicht so lange her, da machte sie, Mitglied im Kreisverband Wittenberg der Grünen, von sich Reden, als sie mit anderen engagierten Zeitgenossen eine Bürgerinitiative gegen die Erweiterung der Schweinemastanlage in Düben gründete.
Das Bundesnaturschutzgesetz regelt in Kapitel 5, Paragrafen 37 bis 55, den Schutz wild lebender Tier- und Pflanzenarten, ihrer Lebensstätten und Biotope. Unter anderem heißt es, es ist verboten, „Bäume, die außerhalb des Waldes, von Kurzumtriebs-plantagen oder gärtnerisch genutzten Grundflächen stehen, Hecken, lebende Zäune, Gebüsche und andere Gehölze in der Zeit vom 1. März bis zum 30. September abzuschneiden oder auf den Stock zu setzen; zulässig sind schonende Form- und Pflegeschnitte zur Beseitigung des Zuwachses der Pflanzen oder zur Gesunderhaltung von Bäumen...“ Auch dürften Lebensstätten wild lebender Tiere und Pflanzen „ohne vernünftigen Grund“ nicht beeinträchtigt oder zerstört werden. Vor allem schützt das Gesetz damit nistende Vögel. (mz/cni)
Jetzt beunruhigt Gräwert in Apollensdorf der Wall u. a. aus aufgetürmten Baumstumpen. Sie befürchtet Fällungen bzw. Rodungen und hat eine Beschwerde an die Untere Naturschutzbehörde beim Landkreis Wittenberg geschickt. Bei dem in Frage kommenden Wäldchen handelt es sich um jene Fläche, die zur Erweiterung der Wittenberg Gemüse GmbH benötigt wird. Am 24. Februar hatte sich wie berichtet auch der Stadtrat der Lutherstadt Wittenberg zu den Plänen bekannt.
Gräwert sagt auf Nachfrage der MZ, dass sich ihre Kritik durchaus auch gegen die Expansion der Gewächshausanlage richtet, doch gehe es jetzt in erster Linie um Baumfällungen. Wann diese vorgenommen wurden, könne sie nicht sagen. Sollte es in jüngerer Zeit geschehen sein, wäre das fatal, da man sich in der Schonzeit befindet. Vom 1. März bis 30. September dürfen in Deutschland keine Bäume gefällt werden. „Wenn es keine Sondergenehmigung gab, muss strafrechtlich vorgegangen werden“, findet Gräwert.
Tatsächlich sei eine Sondergenehmigung gar nicht nötig gewesen. Nach Auskunft von Ronald Gauert, Pressesprecher beim Landkreis Wittenberg, sei alles ordnungsgemäß abgelaufen: „Die Rahmenbedingungen wurden erfüllt und der Artenschutz gewahrt.“
Gauert zufolge war dem Investor die Genehmigung erteilt worden, vom 25. bis 29. Februar die Bäume in dem Wäldchen zu fällen. Es habe sich um einen „Kahlhieb“ gehandelt, dabei bleiben die Stumpen zunächst stehen. Ein zweiter Aspekt sei nun die sogenannte Waldumwandlung im Rahmen des Bebauungsplanes, wie sie auch im Amtsblatt des Kreises vom 28. Mai ausgeführt wird.
Nach Auskunft von Gauert erging die Genehmigung von Seiten der Unteren Forstbehörde, nun auch die Stumpen zu beseitigen, am 31. Mai. Bei dem Wäldchen habe es sich um „80 Prozent“ Kiefernbestand gehandelt. Drei Jahre habe der Investor nun Zeit, Ersatzpflanzungen vorzunehmen. Diese seien im Bereich Möllensdorf und Schmilkendorf vorgesehen.
Grundsätzlich betont Gauert, dass sich der Investor an die gesetzlichen Bestimmungen gehalten habe. Und: „Es besteht auch kein Grund zur artenschutzrechtlichen Sorge.“ Gräwert reagiert gegenüber der MZ zurückhaltend auf diese Aussagen, die Angelegenheit sei für sie nicht erledigt. Sie möchte sich Rat holen beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland. Vor allem warte sie nach wie vor auf eine „klare Antwort“ aus dem Landratsamt. (mz)