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Fernschach Titelgewinn im Denksport für Oranienbaumer

Der Oranienbaumer Manfred Schütze ist Europameister mit der deutschen Nationalmannschaft. Die Karriere startet mit Halmasteinen und Postkarten.

Von Andreas Behling Aktualisiert: 14.06.2021, 16:04
Der Oranienbaumer Manfred Schütze ist mit der Nationalmannschaft Europameister im Fernschach.
Der Oranienbaumer Manfred Schütze ist mit der Nationalmannschaft Europameister im Fernschach. (Foto: Andreas Behling )

Oranienbaum - Fernschachspieler, das scheint kein Hobby zu sein, das sich mal eben so nebenher betreiben lässt. Manfred Schütze jedenfalls bestreitet aktuell 30 Partien parallel. „Ein Tag ist schnell herum“, schmunzelt er. Da muss er durchaus im Blick behalten, wann der nächste Zug fällig ist. Kostas Oreopoulos aus Griechenland zum Beispiel ist einer der Kontrahenten, die auf eine baldige Reaktion des Oranienbaumers warten.

Auf den Weg zum Großmeister

„Überschreitet man das Limit, hat man die Partie verloren“, erzählt Schütze, der im Mai als Mitglied der deutschen Nationalmannschaft im Fernschach den Europameister-Titel errang. Doch es sind keine Lorbeeren, auf denen sich der 79-Jährige länger ausgeruht hat. Längst frönt er dem Denksport schon wieder. Aktuell gehört er zu den Teilnehmern eines Einladungsturniers, das der israelische Verband ausrichtet.

Bei der International Correspondence Chess Federation - dem Weltfernschachbund, der einen zentralen Server nutzt - ist Manfred Schützes Namen mit dem Kürzel „SIM“ verbunden. Das steht für Verdienter Internationaler Meister. Nun strebt er den „GM“ an, den Großmeister.

„Dafür muss man in den Turnieren zwei Mal die Normen erfüllen. Das ist äußerst schwierig.“ Dennoch ist das für den Oranienbaumer vermutlich kein unerreichbares Ziel. Auf einem Computer-Bildschirm kann er seine Leistungsparameter abrufen. Und die Kurve kennt im Prinzip nur eine Richtung: kontinuierlich nach oben.

Mit dem Schach-Virus infiziert worden ist der „Ur-Gräfenhainichener“, wie sich Manfred Schütze selbst bezeichnet, von einem damaligen Lehrer. Reinhard Schulz sei es gewesen, der eine Truppe junger Leute in einer Arbeitsgemeinschaft an den Schachbrettern versammelte. Der Lohn ließ nicht lange auf sich warten. „Wir Provinzler errangen sogar die DDR-Meisterschaft.“

Deutlich ist zu spüren, dass der gelernte Statiker, der in Gräfenhainichens früherer Zentralwerkstatt Berechnungen für die Tagebaugroßgeräte anstellte, diese Zeit - „Die Kreismeisterschaften trugen wir am Jösigk aus.“ - nicht missen möchte.

Zufall oder Glück, so Manfred Schütze im Rückblick, führten schließlich noch zu DDR-Zeiten dazu, sich auf internationalem Parkett beweisen zu können. Beim Länderkampfturnier der Ostseeanrainer rutschte er einige Male ins Team. Und weil dieser Wettkampf noch heute stattfindet, sorgte das positive Abschneiden dort für seine spätere Qualifikation für den EM-Kader.

Ein verblüffender Werdegang, wenn man Schützes nicht so optimale Startbedingungen bedenkt. „Mein Opa konnte ein bisschen Schach. Der beschriftete Halmasteine mit den Namen der Figuren, damit wir üben konnten.“

Heute duellieren sich die Könner nicht mehr, indem Postkarten die Ländergrenzen überschreiten. Ihnen hilft die moderne Computertechnik. Gleichwohl findet vor den Monitoren kein Blitzschach statt. Für zehn Züge stehen 50 Tage zur Verfügung. „Das hört sich viel an“, weiß Schütze.

„Aber bei mehreren Duellen zugleich ist das wenig.“ Und natürlich wird die Speicher-Kapazität genutzt, um mögliche Züge berechnen zu lassen. „Ich kann bestimmt auf ein paar Millionen weltweit gespielte Partien zurückgreifen. Doch irgendwann ist der Punkt erreicht, wo eine Abweichung vom Standard auftritt, wo es für die Konstellation keine vergleichbare Partie mehr gibt.“ Dann obliegt dem menschlichen Gehirn die letzte Entscheidung.

Kein Spiel der Computer

„Es ist kein Spielen gegen ein Computer-Programm“, so der bei Blau-Rot Pratau organisierte Oranienbaumer, „sondern Rechentechnik plus Einflussnahme durch den Menschen“. Für die Zukunft wünscht sich der 79-Jährige, dass vielleicht doch wieder einige jüngere Leute ihre Freude am Fernschach finden. „Eine solche Auseinandersetzung ist genauso spannend und interessant, wie eine Jagd mit Baller-Effekten. Nur wird bei dem Sport eben doch das Denken geschult.“ (mz)

Die Leistungskurve von Manfred Schütze zeigt steil nach oben.
Die Leistungskurve von Manfred Schütze zeigt steil nach oben.
(Foto: A. Behling)