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Thesentür in Wittenberg Thesentür in Wittenberg: Strahlende Patina

Von Karina Blüthgen 27.05.2016, 07:33
Friedrich mit Schwert
Friedrich mit Schwert Klitzsch

Wittenberg - „Sie schließt sich wieder leicht.“ Uwe Rähmer, seines Zeichens Diplom-Restaurator, ist zufrieden, als er die Thesentür öffnet.

Wobei das „leicht“ sehr relativ ist bei einem Kunstwerk aus Bronze, das insgesamt etwa 24 Zentner wiegt. Auch wenn sie nicht jene Tür ist, an die Martin Luther einst seine 95 Thesen geschlagen hat, so ist sie doch das Symbol für die Reformation. Während Generationen von Besuchern der Wittenberger Schlosskirche ihr Äußeres in Schwarz erlebten, schimmert sie nach der Restaurierung in einem leicht grünlichen Ton.

Mühevolle Handarbeit

Doch ist es keine Farbe, es ist vielmehr die Patina der Bronze, die jetzt, nur mit einem mikrokristallinen Wachs überzogen, wieder zur Geltung kommen darf. Immer wieder waren in den vergangenen anderthalb Jahrhunderten zum Schutz Wachs- und Ölschichten aufgetragen worden, erklärt Rähmer, der als bauleitender Restaurator bei der Sanierung der Schlosskirche fungierte. Diese galt es zu entfernen, ohne die natürliche Schutzschicht der Bronze in Mitleidenschaft zu ziehen. Die ursprünglich dafür vorgesehene Mikrostrahltechnologie (mittels Druck und eines Granulats aus gemahlenen Walnuss-Schalen) wurde verworfen. Die ölige Schicht war dafür zu weich. Also griffen der Metallrestaurator Sebastian Anastasow und sein Kollege zu feinen Klingen und entfernten die Schichten über den Buchstaben in wochenlanger Handarbeit.

Jeder Buchstabe, jede Figur der 1858 eingeweihten Bronzetür wurde so freigelegt. Vor allem die Musikanten mit Laute, Flöte und Horn an der Oberkante der Türflügel sind wieder in allen Details zu bewundern. „Da es ja vorzugsweise die Musik in ihrer edelsten der Kirche dienenden Thätigkeit war, welche zur Verbreitung der Reformation so wesentlich beitrug...“, schrieb Ferdinand von Quast, der die Tür entworfen hatte, über das gestalterische Element auf den Säulen, die jeden Türflügel in drei Spalten unterteilen.

Das Ergebnis der Reinigung überzeugt. Noch nie waren die Buchstaben so klar zu erkennen, traten die Verzierungen so deutlich zu Tage. Immer wieder stehen Neugierige am Bauzaun, schauen und fotografieren. „Hier sieht man wirklich, dass etwas passiert ist“, freut sich am Pfingstsonntag die Wittenbergerin Elke Hurdelbrink. „Die Schrift ist jetzt sogar fast vom Zaun aus zu lesen.“ Wirklich lesen dürften diese 95 Thesen aber wohl nur die wenigsten, was nicht an der neugotischen Minuskelschrift liegt, sondern daran, dass sie in Latein die Tür zieren.

Der Entwurf der Tür stammt aus der Mitte des 19. Jahrhunderts, in Auftrag gegeben vom preußischen König Friedrich Wilhelm IV. Jene Holztür aus dem 16. Jahrhundert, die der Universität als Schwarzes Brett gedient hatte und die auch die Thesen über den Ablasshandel getragen hat, verbrannte 1760 bei der Beschießung der Stadt im Siebenjährigen Krieg. Wer etwas Originales aus der Luther-Zeit sucht, findet es noch, und zwar im Sandsteinportal, das die jetzige Tür umrahmt. Auch das strahlt wieder im alten Glanz. Was 1858 jedoch nicht vorgesehen war, war ein Schlüsselloch außen an der Tür. Die Tür ist nur durch einen Schlüssel von innen zu öffnen. Das zusätzliche Schlüsselloch wurde erst mit dem Komplettumbau der Kirche 1885 bis 1892 von einem Wittenberger Schlosser eingebaut. So konnte zur Einweihung am Reformationstag 1892 Kaiser Wilhelm II. den Schlüssel zur Kirche übergeben. Und während außen der Schlüssel gedreht wurde, öffnete jemand anders von innen die Tür.

Beschädigungen habe man an der Thesentür nicht vorgefunden, sagt Uwe Rähmer. „Allerdings haben wir zu Beginn der Bauphase einen zweiten Schlüssel nachfertigen lassen. Es gab nämlich nur einen“, erläutert er die Bedenken, falls etwas kaputt gegangen wäre.

Fehlt nur der schmiedeeiserne Gitterzaun vor der Thesentür. Er wird nach seiner Restaurierung und nachdem der Vorplatz sein altes Katzenkopfpflaster bekommen hat, aufgestellt.

Das Schwert ist weg

Eine böse Überraschung gab es im Frühjahr 2015 dennoch. Nachdem die Thesentür für die Zeit der Sanierung umhaust worden war, hatte sich ein Dieb eingeschlichen. Die Fachleute entdeckten eines Tages, dass das Schwert von Friedrich dem Weisen, der linken der beiden Sandsteinfiguren über dem Portal, fehlte. „Natürlich haben wir Anzeige erstattet, das Verfahren ist inzwischen eingestellt“, berichtet Uwe Rähmer. „Wir mussten das Schwert nachfertigen lassen.“

Als Glück im Unglück erwies es sich, dass es nicht mehr das Original von 1858 war. Die Schwerter beider Figuren über der Thesentür waren 1982/83, in Vorbereitung zum 500. Luthergeburtstag, erneuert worden. Stefan Nau, jener Schmied, der 1983 auf dem Lutherhof ein Schwert zur Pflugschar umschmiedete, hat diese beiden angefertigt. „Er hat vom Rat der Stadt den Auftrag bekommen“, erinnert sich Bernhard Gruhl, früherer Küster der Schlosskirche. „Die alten Schwerter waren zu Küchenmessern verrostet.“ (mz)

Die Thesentür
Die Thesentür
Klitzsch