Tagung der Evangelischen Akademie Tagung der Evangelischen Akademie : War Luther ein Befreier der Kunst?

Wittenberg - In der Ausstellung „Luther und die Avantgarde“ im alten Gefängnis von Wittenberg setzen sich internationale Künstler von Rang mit Themen der Reformation auseinander. Jetzt ist dieser Schau, die Teil der Weltausstellung Reformation ist, vom 1. bis 3. September eine Tagung in der Evangelischen Akademie Sachsen-Anhalt in Wittenberg gewidmet.
Corinna Nitz sprach mit Alf Christophersen: Der stellvertretende Akademiedirektor und Studienleiter für Theologie, Politik und Kultur richtet die Tagung gemeinsam mit Vertretern der Evangelischen Akademien Berlin und Hofgeismar sowie von der Gesellschaft für Gegenwartskunst und Kirche „Artheon“ aus.
Herr Christophersen, wie oft waren Sie schon in der Ausstellung?
Alf Christophersen: Achtmal. Jedes Mal verändert sich der Blick. Es ist eine kongeniale Kombination mit dem Ort. Und es hat etwas Eigentümliches, wenn Künstler sich in einer Zelle einrichten und sie für sich einnehmen. Das ist von großer Eindringlichkeit.
Die Tagung vom 1. bis 3. September bringt Zugänge aus Kulturwissenschaft, Theologie und künstlerischer Praxis miteinander in einen Dialog. Eine Führung durch die Ausstellung im alten Gefängnis in Gestalt einer „Besucherschule“ von und mit Bazon Brock ist Teil des Programms. Eröffnet wird die Tagung am Freitag um 16.30 Uhr von Wittenbergs Oberbürgermeister Torsten Zugehör und Walter Smerling, Kurator der Schau „Luther und die Avantgarde“. Zu den Mitwirkenden gehört mit Miriam Jehle auch eine junge Wittenbergerin. Das Abschlussgespräch zum Thema „Luther, die Avantgarde und wir“ am Sonntag beginnt um 11 Uhr. CNI
››Das ganze Programm steht hier im Netz.
In einem Beitrag für die Zeitschrift „Kirche Kunst“ über die Avantgarde-Schau schreiben Sie, der Dialog mit Luther müsse vom Ausstellungspublikum geführt werden. Aber ist es nicht eher ein Dialog mit den künstlerischen Positionen?
Die Künstler verstehen sich ja schon als Reaktion auf Luther. Und wir erleben uns als Teil dieses Prozesses.
Sie wollen auch der Frage, ob der Freiheitsimpuls der Reformation als Befreiung der Kunst zu verstehen ist, nachgehen. Ist dem so? Hat am Ende Luther die Kunst befreit?
Es ist ein Unterschied, ob Kunst auf den kirchlichen Gebrauch reduziert wird oder freigesetzt ist. Ich denke schon, dass Luther die Kunst befreit hat, weil sie nicht mehr anzubetendes Objekt war, also keine Mittlerfunktion mehr hatte, sondern eher eine pädagogische.
Wenn die Kunst frei ist, darf sie dann auch alles?
Im Provokationsgehalt besteht auch das Risiko, und die Freiheit der Kunst kann das Limit des Erträglichen überschreiten. Es liegt in der Verantwortung des Künstlers, solche Grenzen zu wahren. Regelbruch ist ja wahrlich kein Gut an sich.
Gibt es in der Avantgarde-Schau solche Grenzüberschreitungen?
Ich persönlich habe so etwas im alten Gefängnis nicht entdeckt.
Sie sagen, dass Sie die Ausstellung als sehr geglückt empfinden. Und sie sei wichtig für Wittenberg. Warum?
Geglückt ist die ausgesprochene Vielfalt der künstlerischen Konzepte und die kritische Auseinandersetzung mancher mit dem Raum. Das macht die Ausstellung einzigartig. Und dazu kommt dann die Ausstrahlung - es ist für Wittenberg wichtig, dass ein Publikum von außen kommt, das macht es weltstädtisch.
Allerdings nicht mehr lange. Zwar werden Gespräche über eine Verlängerung geführt, aber planmäßig endet die Schau am 17. September...
Ich finde, der Ort sollte unbedingt weiterentwickelt werden. Und es wäre hervorragend, wenn dafür einige Dinge aus der Ausstellung als Grundstock in Wittenberg bleiben könnten.
Noch ein Wort zur Tagung: Richtet sie sich in erster Linie an Kunstverständige und Theologen?
Nein, sie richtet sich - genauso wie die Ausstellung - an ein breites Publikum. Zum Beispiel werden wir mit der Wittenbergerin Miriam Jehle, die gerade Abitur gemacht hat, auch die Perspektive von Jüngeren haben. Wir erwarten auch Künstler aus der Ausstellung, so etwa am Sonntag Assaf Gruber. Diese Tagung wird kein elitärer Diskurs ohne Realitätsbezug. (mz)