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Stadtkirche in Wittenberg Stadtkirche in Wittenberg: Als wär's schon immer so gewesen

Von corinna nitz 29.06.2015, 19:19
Das alte Taufbecken in Wittenbergs Stadtkirche hat einen neuen Standort. Der ist schöner, aber auch praktischer für die Pfarrer (hier Johannes Block).
Das alte Taufbecken in Wittenbergs Stadtkirche hat einen neuen Standort. Der ist schöner, aber auch praktischer für die Pfarrer (hier Johannes Block). KLitzsch Lizenz

wittenberg - Bevor das Taufbecken in Wittenbergs Stadtkirche umgesetzt wurde, wirkte es düster und klobig. Und vom Eindruck, „dass sich zwei Kunstwerke erschlagen“, spricht unter Hinweis auf den raumgreifenden Cranach-Altar der geschäftsführende Pfarrer an der Stadtkirche, Johannes Block. Seit Ende Mai ist die Situation eine andere, da wurde das von Hermann Vischer dem Älteren aus Nürnberg geschaffene Taufbecken um ein paar Meter nach rechts verrückt. Und, o Wunder: Plötzlich entdeckt man etwa den filigranen Tauffuß, überhaupt kommt die Schönheit dieses reich verzierten Werkes viel besser zur Geltung. Zudem wurde das Becken am neuen Standort so gedreht, dass die Figur des Apostels Paulus nach vorn zeigt. Dieser hatte sich immer wieder für die Taufe eingesetzt.

Viele Ortswechsel

Nun wurde der neue Platz für das Taufbecken, das seit 1457 in Luthers einstiger Predigtkirche steht, weder willkürlich ausgewählt, noch war es das erste Mal, dass es gewandert ist. In vorreformatorischer Zeit etwa stand das Becken Block zufolge im Vorbau des Südportals. Im Zuge der Reformation rückte es dichter an den Altar und dort, vor den Stufen, habe es sich im 18. Jahrhundert befunden. Weitere Ortswechsel folgten, der jüngste war von vielen in der Gemeinde lange bedacht worden.

Am neuen Standort wurden die drei unteren Stufen so bearbeitet, dass eine Insel entstanden ist, auf der sich nun das Taufbecken erhebt. Das Faszinierende ist, dass man den Eindruck hat, es sei schon immer so gewesen. Block weiß von Besuchern zu berichten, die die Wanderung des Taufbeckens erst dann registrieren, wenn sie darauf hingewiesen werden. Neben ästhetischen Gesichtspunkten, dass nämlich das Taufbecken nun auch als eigenständiges Kunstwerk gewürdigt wird, gibt es theologische Gründe, die für eine Umsetzung an diese Stelle sprachen.

Indem das Becken nach vorn geholt wurde, „wächst die Taufe in die Gemeinde hinein“ und werde zugleich die „Eingangsstufe“ zum Abendmahl, sagt Block. Der im Übrigen noch ganz praktische Gründe anführen kann: Da das Becken die stattliche Höhe von 1,33 hat, musste bei Taufen immer ein Holzbänkchen davor gestellt werden, auf dem die Pfarrer standen. Jetzt geht’s auch ohne.

Zehn Taufen pro Jahr

Was übrigens die Taufe betrifft, so schreibt Julia Ewald in dem gerade zur Landesausstellung „Cranach der Jüngere 2015“ erschienenen Katalog „Cranachs Kirche“, dass mit großer Wahrscheinlichkeit auch Lucas Cranach der Jüngere in Vischers Becken getauft wurde. Im Wittenberg der Gegenwart ist die Zahl der Taufen weiter rückläufig: Wenn es hoch kommt, sagt Block, hat er zehn pro Jahr - und das sei schon viel. In jedem Fall gibt es mehr Bestattungen, womit das Gespräch rasch beim Thema Demografie ankommt. Neben jahrzehntelangen Säkularisierungsprozessen im Osten Deutschlands werden gern die demografischen Verwerfungen genannt, die auch den Kirchen zu schaffen machen. Die evangelische Stadtkirchengemeinde Wittenberg etwa habe gegenwärtig noch 3 600 Mitglieder bei fünf Predigtorten, von denen einer die Stadtkirche St. Marien ist. (mz)

Die Umsetzung am 20. Mai war nur mit schwerem Gerät möglich.
Die Umsetzung am 20. Mai war nur mit schwerem Gerät möglich.
thomas klitzsch Lizenz
Der Untersatz des Beckens
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