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Stadtgeschichte in Wittenberg Stadtgeschichte in Wittenberg: Als die "Filmburg" fiel

Von Irina Steinmann 17.12.2019, 12:48
Andreas Wurda zeigt Hertzers Darstellung der brennenden Filmburg.
Andreas Wurda zeigt Hertzers Darstellung der brennenden Filmburg. Steinmann

Wittenberg - Zum Beispiel die „Filmburg“. 1930 eröffnet, zählte das Lichtspieltheater zu den wenigen Gebäuden in der Altstadt, die als Kriegsschäden zu beklagen waren. Nur wenige Wochen vor Kriegsende, im April 1945, brannte das Kino in der Mittelstraße lichterloh. Festgehalten hat die dramatische Szene samt Löscharbeiten die aus Wittenberg gebürtige Malerin Else Hertzer (1884 bis 1978).

Nur wenige Berichte

Hertzers Rolle als Stadtchronistin einer Zeit, aus der kaum oder gar keine Fotografien überliefert sind und „nur ganz wenige Augenzeugenberichte“, wie der Leiter der Städtischen Sammlungen, Andreas Wurda, konstatiert, will eine neue Sonderausstellung der Stadt im Zeughaus beleuchten. Unterstützt von Hertzer-Kenner Mathias Tietke aus Berlin und vom örtlichen Heimatverein will die Schau mit dem nüchternen Titel „Else Hertzer - Kriegsmappe 1945“ der Nachwelt Einblick geben in ein „Stück lebendiger Stadtgeschichte“.

Wurda zufolge hielt sich - die damals schon Berlinerin - Hertzer 1944/45 regelmäßig in der Lutherstadt auf, wo ihre Mutter lebte. Es gehe diesmal nicht darum, Hertzers „Kunstfertigkeit“ darzustellen, streicht Wurda den historischen Ansatz heraus. Fast 40 Grafiken, darunter vier Leihgaben Tietkes, zeigen den Blick der Künstlerin auf die Zerstörungen in ihrer Heimatstadt, auf Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene, aber auch auf die vom NS-Regime getroffenen Maßnahmen zur Befestigung und Verteidigung der Stadt.

Möglicherweise entstanden die genannten Werke für einen größer angelegten „Kriegszyklus“, so Wurda. In der NSDAP, fügt er ungefragt hinzu, sei Hertzer aber „niemals“ gewesen. Kleinere Radierungen, etwa auch von durchziehenden Flüchtlingen, habe es noch „lange, lange Zeit bei Fuß“ - einer bis heute bestehenden Kunsthandlung in der Collegienstraße - zu kaufen gegeben, erinnert sich Andreas Wurda.

In der sowjetischen Besatzungszone und später in der DDR sei Else Hertzer eine „anerkannte Künstlerin“ gewesen. Überliefert ist Wurda zufolge beispielsweise ein Auftrag für den Mühlenbau. Was daraus wurde, ist nicht als ein greifbares Werk überliefert, es gebe aber ein offizielles Dokument aus den frühen 50er Jahren, so der Sammlungsleiter, in denen die offenbar abgeneigten Arbeiter zum Modell sitzen angehalten werden... Aber das ist dann schon wieder eine ganz andere Zeit.

Heute ein Pflegeheim

Zurück zur brennenden „Filmburg“. Die Ausstellungsmacher haben auch herausgefunden, welches der letzte Streifen war, der dort zur Aufführung gelangte: Es war, am 10. April 1945, ein Film mit Theo Lingen, Titel: „Es fing so harmlos an.“ Auf dem Gelände des Kinos steht heute ein Pflegeheim. Weitere Entdeckungen lassen sich in der neuen Sonderausstellung machen.

››Die Ausstellung wird an diesem Donnerstag um 19 Uhr eröffnet. (mz)