Sonnenschein statt Regen
Wittenberg/MZ. - Während aus der Café-Küche der aromatische Duft von Selbstgebackenem und frisch gebrühtem Kaffee zur Einkehr lockte, drangen aus dem Musikraum rhythmische Klänge. Sebastian Hempel hatte es sich hinter dem Schlagzeug bequem gemacht und zeigte mit Temperament und Taktgefühl, was er kann. Dass Musik das Lieblingsfach des Zehnjährigen ist, versteht sich fast von selbst. Anja Hiller hatte mit ihrer Klasse eine Fotowand gestaltet. Sie zeigt die Jungen und Mädchen, die vor einigen Wochen beim Zirkusprojekt mitgewirkt haben (die MZ berichtete). Ein aufregendes Erlebnis, "davon werden sie wahrscheinlich noch in 20 Jahren sprechen", vermutet Klassenlehrerin Gerrit Vogel, während sie mit den Jugendlichen Fühlbilder aus Kork, Rinde, Schafwolle, Walnussschalen und anderen Naturmaterialien bastelt. "Ist das schön?", wollte Anja von Besuchern wissen und war sehr zufrieden, als das Urteil positiv ausfiel.
Auch Schulleiterin Cornelia Reinhardt zeigte sich zufrieden - mit ihren eifrigen Schützlingen und mit dem Domizil selbst. Seit zwei Jahren sind alle Schüler (derzeit sind es 77) in dem Neubau in der Gustav-Adolf-Straße untergebracht. "Hier haben wir optimale Arbeitsbedingungen und eine zentrale Lage - wir sind mitten im Leben." Mitten im Leben stehend zeigten sich auch jene Schüler, auf deren Stundenplan derzeit kochen und schnipseln, einkaufen, putzen und organisieren steht. In der Trainingswohnung der Schule in der der Katharinenstraße können sie Alltagstätigkeiten einüben. Gäste beim Tag der offenen Tür konnten sich davon dank eines eigens eingerichteten Bustransfers überzeugen. Auf ihrem Weg zu mehr Selbständigkeit und Selbstbewusstsein werden die jungen Bewohner der Trainingsräume von Lehrerin Silke Kartschoke begleitet. Viel musste sie Besuchern über ihre Arbeit gar nicht erzählen, das übernahmen die offensichtlich begeisterten Jugendlichen selbst. "Endlich mal kein Mathe und Deutsch", freute sich Jessica Vogel. Doch ihr Klassenkamerad Marco Venediger widersprach sogleich vehement. "Wenn wir einkaufen gehen, müssen wir doch auch mit Geld rechnen und aufschreiben, was wir ausgegeben haben." Das sei ein bisschen wie Mathematik und Deutsch - "nur schöner".