SKW Piesteritz SKW Piesteritz: Manfred Wenzel zeigt gemalte Zeitzeugnisse

Wittenberg - „Arbeitswelten - im Stickstoffwerk Piesteritz“, so ist eine Sonderausstellung mit Bildern von Manfred Wenzel überschrieben, die am Freitag
im Science-Center „Futurea“ von SKW Piesteritz in Wittenberg eröffnet wurde. Doch eigentlich müsste der Titel erweitert werden - um den Begriff „Lebenswelt“. Der Künstler selbst brachte diese Formulierung ins Spiel bei einem Nachgespräch mit der MZ am Sonntagnachmittag: Denn die Arbeits- sei auch eine Lebenswelt gewesen.
Häufig fiel in diesem Zusammenhang am Telefon das Wort Baabe. Dort haben die Stickstoffwerke einst ein Erholungsheim für ihre Beschäftigten betrieben, berichtete Wenzel und erzählte von Fahrten mit dem Mal- und Grafikzirkel des Betriebes an die Ostseeküste. Eine solche Urlaubseinrichtung für Arbeiter wie jene in Baabe sei „nur in der DDR“ möglich gewesen, scheint sich Wenzel sicher.
Wenzel, Jahrgang 1934, war Zirkelmitglied und ansonsten als Kunstlehrer in Wittenberg tätig. Zur Vernissage am Freitag waren denn auch ehemalige Schüler ins „Futurea“ gekommen. Oder Menschen, die aus ihren früheren, respektive Vor-Wende-Biografien das Werk kennen.
Und Besucher wie Peter Kosan, der zwar kein Stickstoffwerker wurde, aber den Aufbau des Nordwerkes als Teenager von außen miterlebt hat. Sein Vater habe ehedem die dort tätigen Ingenieure gefahren. Kosan könnte vermutlich viele Geschichten erzählen aus den 1970er Jahren, zu deren Beginn „das Nordwerk“ mit seiner Ammoniak- und den Harnstoffanlagen aus dem Boden wuchs.
Auch Wenzels Bilder berichten davon, sind Zeitzeugen. Sie tragen Titel wie „Rohrleger“ oder „Gerüstbauer“ und „Schweißerbrigade II“ und geben Einblick in eine für viele doch fremde Welt. Ein ähnliches Ziel verfolgt SKW mit seiner Futurea-Erlebnisausstellung in den beiden aufwendig sanierten Häusern am Markt: „Das Wissenschaftszentrum versteht sich als Brücke in die Gesellschaft“, betonte am Freitag der Geschäftsführer der SKW Stickstoffwerke Piesteritz GmbH, Carsten Franzke.
Im Hinblick auf die Sonderschau sagte er: „Wir haben nicht das Thema gewechselt, sondern nur das Genre.“ Tatsächlich wurde bis zur Wenzel-Schau in einer hauseigenen Sonderausstellung über die 100-jährige Geschichte des Chemiestandortes informiert.
Auf diese Exposition aufmerksam geworden war vor einiger Zeit mit der Schauspielerin Claudia Wenzel auch eine Tochter des Künstlers. Dabei sei sie zu „Futurea“ nur gegangen, weil sie Sponsoren suchte für den „Wittenberg-Talk“, den sie gemeinsam mit dem Berliner Sachbuchautor Mathias Tietke in der Stadt anbietet.
Dass sich schließlich eine „schöne Zusammenarbeit“ mit dem von Janina Dorn geleiteten Science-Center ergab, betonte Wenzel am Freitag, bevor sie ihren Vater zitierte, der mit dem Satz: „Beim praktischen Arbeiten, beim ,Machen’, durchschreite ich zeitliche Räume und überschreite Grenzen, die mir sonst verschlossen blieben“ in einem Katalog von 1984 verewigt ist.
Dass es Manfred Wenzel selbst zur Vernissage bei wenigen offiziellen Worten beließ, lag sicher primär an dem enormen Besucherandrang, das Entree bei „Futurea“ war völlig überfüllt. Ein Musiker-Duo aus Berlin - Kiki Bohemia und Sicker Man - hüllte die Besucher in ebenso experimentelle wie sphärische Klänge ein. Kiki Bohemia heißt übrigens und eigentlich Karla Wenzel und ist die Enkeltochter des Malers.
Was der sich für seine Ausstellung wünscht, erzählte er später am Sonntag der MZ: „Dass die Geschichte des Stickstoffwerks nicht versteckt wird“, so Wenzel. Bestimmt eine unbegründete Sorge, erinnert man sich an einen Satz von Geschäftsführer Franzke, der am Freitag sagte: „SKW Piesteritz ist nicht der Rechtsnachfolger der Stickstoffwerke, aber wir bekennen uns zu dem Chemiestandort.“ (mz)
