Serie Schlosskirche Wittenberg Serie Schlosskirche Wittenberg: Neue Orte für alte Steinplatten

Wittenberg - Viele Besucher wollen einmal dort stehen, wo Martin Luther seine Thesen angeschlagen hat - oder anschlagen ließ. Sie stehen andächtig an der Schlosskirche vor der bronzenen Thesentür, die 1858 an diesen Platz kam, weil die ursprüngliche Holztür 1760 bei der Belagerung der Stadt im Siebenjährigen Krieg verbrannte. Meist wenig Beachtung findet das Sandsteinportal. Doch gerade diese Steine haben die Lutherzeit erlebt, wie die Zahl „1499“ im Schlussstein verkündet.
Ist das Portal wirklich noch so original wie 1517, als es die alte Holztür umrahmte? „Nicht alles ist aus der ursprünglichen Zeit, aber vieles ist wiederverwendet worden“, schränkt Stefan Haustein ein. Er hat den Sandstein gereinigt und konserviert.
Ersteres sehr sensibel, „mit Bürsten, Pinseln, Schwämmen“. Spätere Ergänzungen wurden zum Teil entfernt. „Ziel war es nicht, fehlende Stellen zu ergänzen, sondern sicherzustellen, dass der Stein nicht weiter verwittert“, erläutert der Restaurator und gelernte Steinmetz aus der Nähe von Mühlhausen.
„Es ist ein langer Weg, bevor man überhaupt erstmals Hand anlegt“, sagt Stefan Haustein und verweist auf detaillierte Überlegungen im Vorfeld mit Uwe Rähmer als leitendem Restaurator sowie Abstimmungen mit der Denkmalbehörde. „Ich finde es gut und mutig, wie hier mit der historischen Substanz umgegangen wird“, lobt Haustein. „Hier wird nicht einfach saniert, so dass es im Anschluss aussieht wie neu. Die historische Entwicklung bleibt sichtbar.“
Kurfürsten-Figuren werden bearbeitet
Auch die Kurfürsten, die zu beiden Seiten oberhalb des Thesenportals stehen, wurden konservatorischen Maßnahmen unterzogen. Die Witterung hatte an ihnen genagt, daher mussten farblich angepasste Mittel zur Steinverfestigung eingebracht werden. Eher klein nimmt sich da die Rekonstruktion der kurfürstlichen Hand aus, zerbrochen beim Schwertdiebstahl draußen an der Thesentür. „Wir haben die Bruchstücke wieder angesetzt. Da blutet einem schon das Herz“, meint Haustein.
Entschieden mehr Zeit als am Portal haben er und seine Kollegen für die Teilrekonstruktion des Fußbodens verwendet. Jene trittfesten Steine, über die schon Kaiser Wilhelm II. schritt, die aber in kaum einem Buch über die Schlosskirche Erwähnung finden, wohl weil sie zu profan sind. Und auf die kaum ein Besucher den Blick richtet. Auch hier, sagt der Restaurator, hätte man es sich einfach machen können, indem man beschädigte Platten aus- und neue, farblich passende einbaut.
Stattdessen wurden Platten, die unter dem Gestühl in ursprünglichem Zustand geblieben waren, in die sichtbaren Bereiche versetzt. Eine „Sisyphusarbeit“, so Haustein. „Wir waren fast die letzten, die in der Kirche gebaut haben. Zum Teil war die Kirche schon wieder in Benutzung. “ Im Chorbereich liegen etwa Fliesen aus Mettlach. Küster Olaf Wrosch erklärt: „Das ist das Villeroy und Boch des 19. Jahrhunderts.“
Die dritte, nicht minder anspruchsvolle Aufgabe für das Team um Stefan Haustein bestand im Aufstellen der großen Grabplatten der Askanier an der Westseite der Kirche. Die zwei Sandsteinplatten aus dem 14. Jahrhundert, eine für Kurfürst Rudolf II. und seine Gemahlin Elisabeth sowie eine weitere für die Tochter Elisabeth, waren zuvor auf der Südseite der Kirche, unter der Orgelempore, in die Wand eingelassen. Dort mussten sie jetzt dem Zugang vom Besucherzentrum aus dem Schloss weichen.
Die Herausforderung bestand darin, die wertvollen Platten frei aufzustellen. Das machte den Einbau einer filigranen Kippsicherung erforderlich. Es habe, sagt Haustein, Diskussionen mit einem Statiker gegeben, wie das ohne zusätzliche Bohrungen bewerkstelligt werden kann. Außerdem mussten im Vorfeld neue Fundamente in den Boden hinein. „Darunter befindet sich ein Gewölbe. Und die Platten wiegen etwa 1,5 Tonnen“, erläutert Haustein.
Für die Grabplatten selbst wurde ein Elektrostapler genutzt, trotz der Hebetechnik (unter der Empore ist nicht viel Platz) war auch Muskelkraft nötig. Ungewöhnlich sei das nicht gewesen, bleibt Haustein bescheiden. „So etwas kommt schon immer wieder mal vor. Wir haben keine Angst vor diesen Lasten.“ Gelungen ist nicht nur das Aufstellen am neuen Ort, sondern auch, wie sich die neue Gestaltung „anfühlt“.
Olaf Wrosch findet, die Platten prägen nun „die Symmetrie der Kirche“. Dieser kniffligen Aufgabe konnten sich die Mühlhäuser widmen, als wenig Betrieb in der Kirche war. Anders als beim Naturstein-Fußboden, der, kaum erneuert, schon wieder Belastungen ausgesetzt war. Staub oder auch ein Orgelschrank auf Rädern - die von Haustein verlegten Bodenplatten haben schneller, als ihm lieb war, ihren Härtetest bestehen müssen. (mz)