Serie Schlosskirche Serie Schlosskirche : Gemeindemitglieder und Predigerseminar freuen sich über Rückkehr

Wittenberg - Neulich mittags in der Schlosskirche Wittenberg: Ein paar Leute sind um innere Einkehr bemüht, was schwierig ist angesichts der vielen Menschen, die sich in dem frisch sanierten Bauwerk drängen. Es blitzt aus Kameras, im Mittelgang wird ein bisschen geschoben, und wo, bitte sehr, ist jetzt Luthers Grab? Vorn, neben der neuen Tür zum Schloss, baut ein TV-Team seine Kameras auf. Gudrun Fischer vom Bau- und Liegenschaftsmanagement Sachsen-Anhalt steht abwartend vor einem Mikrofon.
In der Menge schreiten drei Personen zielstrebig zum Altarraum. Kerstin Bogenhardt, Hanna Kasparick und Matthias Pohl verbindet mit dem Sakralbau mehr als die meisten anderen, die da gerade ihre Aufgabenlisten abarbeiten. Die drei gehören zur Schlosskirchengemeinde - dort ist man froh darüber, dass die Sanierung des Bauwerks, an dem Martin Luther am 31. Oktober 1517 seine 95 Thesen gegen die Praxis des Ablasshandels veröffentlicht haben soll, nun abgeschlossen ist. Froh sind sie angesichts der Ergebnisse der Arbeiten, über die an dieser Stelle in den vergangenen Wochen ausführlich berichtet wurde. Und froh sind sie, weil für die kleine Gemeinde nun wieder so etwas wie Normalität einzieht.
Denn mögen in den vergangenen Jahren auch Touristen enttäuscht vor häufig verschlossener Tür gestanden und auswärtige Christengemeinden betrübt reagiert haben, weil sie nicht in ihrem Sehnsuchtsort verweilen konnten: Der Gemeinde vor Ort fehlte, was Pohl „geistige Heimat“ nennt und Kasparick als Mitte beschreibt, „wo man sich versammelt, wo man getauft wurde, wo der Sarg meines Mannes stand, mitten in seinem Chor“. Der Wittenberger Propst Siegfried T. Kasparick war wie berichtet am 31. Mai nach schwerer Krankheit gestorben.
Asyl in der Touristinformation Wittenberg
Was aber heißt es nun konkret, zur Normalität zurückzukehren? Zum Beispiel, dass die Gemeindeglieder nun endlich wieder regelmäßig ihre Gottesdienste in der Schlosskirche feiern - der erste große war bereits zu Pfingsten. Bis dahin musste improvisiert werden, Stichwort Kindergottesdienste: Die fanden mitunter im Info-Pavillon vor der Schlosskirche statt. Selbst in Räume der benachbarten Touristinformation sei man ausgewichen.
Asyl gefunden hat die Gemeinde nicht zuletzt in der nahe gelegenen Evangelischen Akademie, in der vom Gemeindekirchenrat Kerstin Bogenhardt arbeitet. Sie erinnert sich an die Belastung besonders für die Küster, weil die zu Gottesdiensten oder Gemeindeveranstaltungen immer alles hin und her schleppen mussten. „Es war anstrengend“, sagt sie, „aber es wurde super gemeistert. Vor allem, wenn man sich darauf einlässt.“
Dass es eine Frage der Haltung sei, betont insofern Hanna Kasparick. Das trifft wohl auch auf die Arbeit des von ihr geleiteten Evangelischen Predigerseminars in Wittenberg zu. Angehende Pfarrer aus mehreren ostdeutschen Landeskirchen werden dort auf ihren künftigen Dienst in Gemeinden vorbereitet. Nach Auskunft von Kasparick war die Kirche, die auch Ausbildungskirche für die Vikare ist, zwar für die Zeit der Sanierung nicht entwidmet worden. Es fanden auch Veranstaltungen statt, jedenfalls war, wie Kasparick es formuliert, „die Entfremdung nicht so groß“.
Aber Auswirkungen auf den Seminarbetrieb gab es eben doch. Für liturgische Übungen etwa kamen sie schon mal in einem Raum der Katholischen Kirche unter, was Kasparick zu der Bemerkung veranlasst: „Die katholische Gemeinde hat einen maßgeblichen Beitrag zur Ausbildung evangelischer Pfarrer geleistet.“
Wer da jetzt Ironie hinein liest, der irrt. Die Rede ist von Ökumene und auch Bogenhardt betont: „Ohne Ökumene geht heute nichts, gerade in Wittenberg ist das wichtig.“ Unter Hinweis auf das bevorstehende Reformationsjubiläum sagt Pohl: „500 Jahre danach ist es Zeit, das Gemeinsame zu betonen.“
Überzeugende Symbolik
Pohl ist nicht nur Vorsitzender des Gemeindekirchenrats sondern auch Malermeister und Restaurator im Handwerk. Mit diesen Augen sieht er nun die nach historischem Vorbild wieder erstandene Vorhangmalerei in der Schlosskirche. Puristen könnten von der opulenten Ornamentik leicht überfordert sein - Pohl findet, „es stimmt in sich“, und verweist auf die Symbolik von Granatäpfeln oder Lilien sowie bei der Farbgebung.
All das „passt zum Glauben und zum Inhalt“, sagt er. Überzeugt von der Symbolkraft der völlig neu geschaffenen Verbindungspforte zwischen Kirche und Schloss zeigt sich Kasparick. Die vom Bildhauer und Kunstgießer Marco Flierl mit Bronze gestaltete Brandschutztür wurde auf der einen Seite mit einem Lebensbaum der Reformation versehen. Besonders das verzweigte Wurzelgeflecht des Baumkreises veranschauliche gut, „dass Reformation etwas Weltweites ist und nicht antikatholisch“.
Apropos weltweit: Die Schlosskirchengemeinde ist nicht nur angesichts ihrer vergleichsweise kurzen Geschichte und den Umständen, unter denen sie einst gegründet wurde, für sich genommen eine besondere Institution.
Seit drei Jahren gibt es auch die Internationale Schlosskirchengemeinschaft, deren Mitglieder aus vielen Ländern kommen. Ihre Gründung geht auf Siegfried T. Kasparick zurück. „Er war der Promoter und stand dafür ein“, erinnert seine Witwe dieser Tage. Da hat sie sich mit Bogenhardt und Pohl längst den Weg durch die Menge zum Altarraum gebahnt. (mz)

