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An der Schmerzgrenze Schulen im Landkreis Wittenberg fehlen Lehrer

Manche Schulen im Landkreis haben viel zu wenige Lehrer, andere sind angemessen versorgt. Wo es besonders schwierig ist und was die Schulleiter sagen.

Von Marcel Duclaud 17.03.2023, 09:09
Die Förderschule An der Lindenallee in Gräfenhainichen erhält einen Neubau, an Lehrern aber fehlt es.   Unterrichtsversorgung: Knapp 77 Prozent.
Die Förderschule An der Lindenallee in Gräfenhainichen erhält einen Neubau, an Lehrern aber fehlt es. Unterrichtsversorgung: Knapp 77 Prozent. (Foto: Thomas Klitzsch)

Wittenberg/MZ - Die umfassenden Zahlen, die dank einer Anfrage der Linken zur Unterrichtsversorgung im Land Sachsen-Anhalt nun endlich auf dem Tisch liegen, offenbaren und bestätigen vieles: insbesondere einen teils dramatischen Lehrermangel an einigen Schulen und andererseits eine ziemlich gute Versorgung an anderen Standorten. Sprich: Sonderlich gerecht ist das nicht.

Die Daten, die auch die Situation an den Schulen im Landkreis Wittenberg offenlegen, stammen vom Oktober vergangenen Jahres. Es handelt sich um eine Antwort der Landesregierung auf eine Anfrage des Abgeordneten Thomas Lippmann. Es geht darin um die Anzahl der Schüler und Lehrer in den verschiedenen Schulformen, um befristete Beschäftigung, um Fächer, die nicht unterrichtet werden konnten, um Pensionierungen und um Neueinstellungen.

Erhebliche Unterschiede

Besonders schwierig ist die Lage demnach an einzelnen Grund-, Sekundar- und Förderschulen. Die Gymnasien sind eher gut versorgt. Einen Ausreißer nach unten stellt den vorliegenden Daten zufolge die Grundschule in Annaburg dar, mit einer Unterrichtsversorgung von 70,95 Prozent. Nicht sonderlich erfreulich auch die Zahlen in den Grundschulen Oranienbaum (75,31), Trebitz (76,47) und Zschornewitz (79,46). Dass es anders geht, zeigen etwa „Käthe Kollwitz“ in Wittenberg mit 113,02, Pratau mit 106,95 oder die Grundschule in Bad Schmiedeberg mit 106,67. Der Durchschnitt liegt nach den Angaben aus dem Bildungsministerium bei 93,30 Prozent.

Problematischer ist der Durchschnittswert bei der Unterrichtsversorgung an den Sekundarschulen im Landkreis Wittenberg. 86,39 Prozent sind es den Tabellen (siehe Grafik) zufolge. „Heinrich Heine“ in Reinsdorf und „Johann Gottfried Wilke“ in Coswig liegen unter der Marke von 80 Prozent, Heine mit 76,89 und Wilke mit 78,14. In den Schulen „Ferropolis“ in Gräfenhainichen (93,39) und Bad Schmiedeberg (92,24) sieht es hingegen besser aus mit der Anzahl der Lehrer.

Die Förderschulen im Kreis haben unterdessen den problematischsten Durchschnittswert: nur knapp über 80 Prozent (81,48, siehe Grafik). Bei der Förderschule An der Lindenallee in Gräfenhainichen sind es 76,93, bei „Pestalozzi“ in Wittenberg 79,63.

Allein den Gymnasien geht es wie erwähnt verhältnismäßig gut was die Unterrichtsversorgung betrifft. Die Durchschnittsquote liegt bei annähernd hundert Prozent (99,45). „Lucas Cranach“ in Wittenberg hat mit 93,79 den niedrigsten, Jessen mit 106,38 Prozent den höchsten Wert.

Dass die Zahlen nicht mehr ganz frisch sind und natürlich ständigen Veränderungen unterworfen, zeigt ein Anruf in der Grundschule von Annaburg. Deren Leiterin Antje Berger klingt am Telefon recht aufgeräumt. „Die Lage hat sich gebessert“, erklärt sie. „Wir haben Lehrer bekommen.“ Allerdings befristet, als Abordnung aus anderen Schulen. Dass drei unbefristete Stellen gegenwärtig ausgeschrieben sind, berichtet sie. „Das ist richtig schön.“ Ob sich allerdings Bewerber finden für die offenen Stellen, ist eine andere Frage.

Antje Berger räumt ein, dass es „schwierig ist, über die Runden zu kommen, eine Herausforderung“. Das gehe nur mit großen Klassen, von 32 Kindern spricht die Schulleiterin. „Wir mussten sie so groß bilden, sonst hätte es gar nicht funktioniert.“ Sie ist stolz auf ihr Team, das trotz aller Schwierigkeiten mitzieht und erwähnt die Unterstützung, die das Landesschulamt gewähre. Allerdings spricht Antje Berger auch Grundsätzliches an, zum Beispiel die Bezahlung der Grundschullehrer, die sich zwar nun ändern soll, was aber so schnell womöglich nicht hilft. Annaburg befinde sich unweit der Grenzen zu Sachsen und Brandenburg, in beiden Ländern wird besser gezahlt.

Christiane Kreuzmann sagt, angesprochen auf die Unterrichtsversorgung in ihrer Schule: „Es ist unwahrscheinlich schwer, das zu händeln.“ Sie leitet die Sekundarschule „Heinrich Heine“ in Reinsdorf: „Wir versuchen, den Ausfall in Grenzen zu halten, aber das geht an die Reserven bei den Kollegen. Wir tun, was wir können, aber wir sind am Limit.“

Mit Leib und Seele Lehrer

Die digitalen Möglichkeiten werden nach Auskunft von Christiane Kreuzmann genutzt, aber ein gutes Schüler-Lehrer-Verhältnis brauche natürlich Präsenz. Seiteneinsteiger helfen nach den Worten der Schulleiterin mit viel Engagement. Überhaupt: „Wenn wir nicht so ein tolles Kollegium hätten, Lehrer mit Leib und Seele, die Kinder im Fokus“, dann würde nicht so viel laufen angesichts des Mangels an Pädagogen. Aktuell fehlen in Reinsdorf vier bis fünf Lehrer, es gibt Langzeiterkrankungen und „wenn man den Altersdurchschnitt sieht, wird es wohl nicht so schnell besser“.

Schaut man auf die Website der Förderschule An der Lindenallee in Gräfenhainichen, fällt als erstes der Hinweis zu Stellenausschreibungen auf. „Die Stellen sind nicht besetzt. Es gibt aber seit Anfang März eine neue Ausschreibungsrunde“, erläutert Schulleiter Torsten Kunze. Auch privat hilft das Kollegium bei der Suche nach neuen Lehrern: Gefragt werde im Verwandten- und Bekanntenkreis, in den sozialen Medien.

Dass man sich derzeit „an der Schmerzgrenze“ befinde, bestätigt auch Kunze. Schwer sei das für die Kollegen, aber eben auch „für unsere Kinder“. Bestimmte Fächer könnten gegenwärtig nicht angeboten werden, auf dem Zeugnis stehe dann n.E., nicht erteilt. „Das tut jedem Kollegen in der Seele weh.“

Ein bisschen Hoffnung setzt Torsten Kunze unterdessen in den gerade entstehenden Neubau: „Fertigstellung im November, optimistisch geplant. Es sieht schon aus wie eine Schule. Und dort gibt es Möglichkeiten, die wir hier nicht haben.“ Und er wirbt: „Wir suchen interessierte, motivierte Lehrer. Sie kommen in ein ganz tolles Kollegium.“