Schule braucht Ideen Schule braucht Ideen: Michael Sandau geht in Pension

Wittenberg - Das lachende Auge hat die Oberhand gewonnen. Dass das zeitweise anders war, räumt Michael Sandau unumwunden ein. Heute ist der letzte Arbeitstag des Wittenberger Schulleiters, der Abschied fällt nicht leicht, vor einigen Wochen konnte er sich den nur schwer vorstellen, aber Abschied ist eben auch vernünftig: „Schule muss sich weiter entwickeln, sie braucht neue Ideen.“
Mit Michael Sandau geht einer, wenn nicht der profilierteste Schulleiter im Landkreis Wittenberg in Pension. Nach 40 ziemlich aufregenden Jahren. Wenn der Lehrer für Mathe, Physik und Astronomie sich noch einmal entscheiden müsste, er würde es kaum anders machen: „Das ist einer der schönsten Berufe der Welt. Man hat die Chance, ein Leben lang mit jungen Menschen zusammen zu sein. Ich genieße das bis heute.“
Großer Gestaltungsspielraum
Michael Sandau hat einiges dafür getan, dass die Rahmenbedingungen funktionieren. Er hatte die Gelegenheit, Ideen umzusetzen. Sandau leitet eine besondere Schule, deren Hülle ein von Friedensreich Hundertwasser entworfenes Kunstwerk ist. „Wir hatten“, erinnert er sich, „einen gigantischen Gestaltungsspielraum, es war zugleich eine gigantische Herausforderung.“
Im Landkreis scheiden laut Landesschulamt zwei Schulleiter aus: Michael Sandau und Monika Paul, Grundschule Oranienbaum.
An zwei Sekundarschulen wird der Stellvertreter-Posten neu besetzt. Ausgeschrieben für das neue Jahr sind 29 Stellen: jeweils sieben für Grundschulen, Gymnasien, Sekundarschulen, drei für Förderschulen, drei für Gemeinschaftsschule, zwei für Berufsschulen.
Schulleiter ist Michael Sandau in der Wendezeit geworden: „Eine Aufgabe, die mich reizte.“ Nur, vorher passte er nicht ins „politische Raster“. Der Lehrer wechselte von der Wittenberger „Karl-Marx“ an die Schule in Pratau und gründete als Chef dort bereits ein kleines Gymnasium, das dann später mit dem Luther-Gymnasium verschmolz. Als er 1993 zu „Luther“ kam, lag das Gymnasium noch „in den Geburtswehen“. Es war eine Zeit, die auch zunächst verrückt anmutende Ideen zuließ, eben die Umgestaltung eines DDR-Plattenbaus in ein kunterbuntes Haus ohne gerade Linien, dafür mit Bäumchen, die aus der Fassade ragen und Zwiebeltürmen.
Mit Gisela Kummetz, damals Kulturdezernentin, hat sich Sandau „die Träume um die Ohren geschlagen“. Daraus resultierte eine Reise nach Wien und das Glück, den Meister persönlich anzutreffen. „Wir saßen bis spät abends zusammen und Hundertwasser zeichnete erste Ideen in die mitgebrachten Fotos.“
Die Tagesschau hilft
Das erstaunliche Projekt durchzusetzen, war trotzdem nicht einfach. Geholfen haben unter anderem die Expo 2000, Landrat Wulf Littke und ein Team der Tagesschau, das bei der entscheidenden Kreistags-Sitzung dabei war. Dass es Vorbehalte gab, nicht zuletzt in der Lehrerschaft, leugnet der Schulleiter nicht.
Der Umbau bedeutete immerhin auch eineinhalb Jahre Auslagerung. „Eine harte Zeit.“ Die Vorbehalte sind schnell verschwunden.
Parallel, so Sandau, lief die inhaltliche Arbeit, die einen Bezug haben sollte zur äußeren Hülle und nicht zuletzt zum Titel Europa-Schule. Schwerpunkte lauten daher unter anderem: künstlerische Kreativität, Blick über den Tellerrand, zahlreiche Schulpartnerschaften, Sprachen. Ergebnis all der Mühen durch das Team („Das trägt die Schule bis heute“) ist ein attraktives und beliebtes Gymnasium, das über Tausend Mädchen und Jungen besuchen und das regelmäßig die mit Abstand höchsten Anmeldezahlen vorweisen kann. Was nicht zuletzt an der Atmosphäre im Haus liege und an der „guten Schulfamilie“ trotz aller Größe. „Ich fühlte mich“, betont Sandau, „immer aufgehoben. Ich konnte meine Lehrkräfte mitnehmen und habe mich bemüht, ihre Ideen aufzunehmen.“
Klar, alles gelungen ist auch dem besonnenen wie zielbewussten Michael Sandau nicht. Stichwort Haus Melanchthon, das aus Sicherheitsgründen aufgegeben werden musste und bekanntlich noch immer nicht saniert ist. „Das schmerzt. Ich habe viele Jahre intensiv gekämpft um den Standort.“ Er hofft, nicht vergebens. Die Bauunterlagen seien inzwischen eingereicht, Förderung beantragt. „Ich werde es als Schulleiter nicht mehr erleben, bin aber optimistisch, dass es noch gelingt.“ Sandaus Plan ist, dass die fünften bis zehnten Klassen im Haus Hundertwasser unterrichtet werden, die gymnasiale Oberstufe aber im Haus Melanchthon: „Das ergänzt sich perfekt.“
Reisen außerhalb der Ferien
Heute wird der Schulleiter, der wesentlichen Anteil daran hat, dass das Gymnasium zu dem wurde, was es ist, offiziell verabschiedet. Michael Sandau bleibt seiner Schule trotzdem erhalten. Als Vorstandsvorsitzender des Fördervereins. Heute wird auch seine Nachfolgerin bekannt gegeben. Den Namen will er nicht verraten, sagt aber
so viel: „Ich bin sehr zufrieden. Sie ist meine Wunschkandidatin.“
Und ab morgen, bei so viel Zeit? „Ich habe keine Angst, in ein tiefes Loch zu fallen.“ Sandau freut sich darauf, außerhalb der Ferien reisen zu können. Er plant, einen Sprachkurs zu belegen: Spanisch an der Volkshochschule. Und: „Meine Frau und ich werden wieder tanzen gehen: argentinischen Tango“. (mz)